Montag, 14. September 2020

Sunken - Livslede (Vendetta Records/All Noir)

Das die Dänen gegenwertig ein Händchen für Black Metal und Blackgaze haben, zeigten bereits Møl (Jord hatten wir hier) und Myrkur, wobei ihr vorletzter Langspieler (hatten wir hier) eher Black Metal ist. Die Männer von Sunken können sich da locker mit einreihen. Diese Band existiert bereits seit 2012 und haben ihr erstes Album 2017 veröffentlicht. Der Nachfolger kommt am 18.09. auf den Markt und hört auf Livslede. Übersetzt heißt das "Lebensüberdruss". Das Googeln des Begriffes ergab nicht wirklich eine klare Definition, man landet eher auf einigen Psychologieseiten. 

Am Anfang wird der Zuhörer von etwas Meeresrauschen (es könnte auch ein See sein), einem Klavier und irgendeinem Streichinstrument begrüßt. Ein altes Boot scheint auf Grund gelaufen zu sein. Man kleidet das alles in recht viel Hall, man fühlt sich allein. "Forlist" heißt ja auch Schiffswrack. Darauf folgt ein ähnlich ruhiges Intro zu Ensomhed, was ein zu eins "Einsamkeit" heißt. Wenn man den Text durch den Übersetzer jagt, merkt, dass es um das Alleinsein geht, darum nicht zu wissen, wie klein man eigentlich in diesem Universum ist. Die klangliche Untermalung wirkt nach einiger Zeit vielleicht etwas rau, wie es eben an der See mitunter sein kann. Dennoch wird nicht ständig geknüppelt, es gibt Unterbrechungen die dem Ganzen die Würze verleihen. Der teil des Songs beginnt ab Minute 09:09. Man denkt, man bekommt ein Stück aus dem Soundtrack von Interstellar dargeboten, es klingt allumfassend, als wolle etwas Großes einen verschlingen. Oder es tun sich riesige, neue Welten vor einem auf. Das klingt eigentlich weniger nach Überdruss, denn nach etwas unfassbar Epischen. Die Zeitangabe könnte vielleicht einige verschrecken, durch die Staffellungen in den einzelnen Titeln, kommt es einem aber so vor, als hätte man mehr als fünf Titel bekommen. 

Klanglich ist man mehr als auf der Höhe der Zeit. Vorbei sind die Epochen, als Black Metal geklungen hat, als hätte man die Songs mit einem alten Mobiltelefon aufgenommen. Auch wenn einige deswegen vielleicht ausrasten würden, das hier ist am anderen Ende. Auch wenn sich die Band ganz groß schwarzes Metall auf die Fahnen geschweißt hat, ist hier auch viel Gaze dabei. Das bricht es eben auf und macht es greifbarer und man bekommt nicht einfach verschränkte Arme und grimmige Gesichter zu sehen. Es wird hier und das was eingestreut, dann trifft man sich an einem ruhigen Punkt um dann gemeinsam lauter zu werden.

Da wir hier Dänisch auf die Ohren bekommen, von einem Sänger der etwas sehr grimmig klingt, versteht man nun nicht unbedingt viel. Da helfen Textbook oder die Texte auf Bandcamp weiter. Trotzdem man nur fünf Titel hat, obwohl man "Forlist" eher als Intro sehen sollte, denn als vollwertigen Song, hat man hier fast 45 Minuten Musik auf den Ohren. Das liegt wohl am Genre. 

Release: 18.09.2020
Label: Vendetta Records

Anspieltipps: Ensomhed, Dødslængel

5,5/6 Punkten (Der Soundtrack für den herannahenden Herbst.)

Sunken - Livslede
(Quelle: Presskit von All Noir)

Donnerstag, 3. September 2020

Youtubisch Vol. 39

 Zum ersten Video setze ich eine Triggerwarnung. Die Band Criplled Black Phoenix hat ein recht brutales Video zusammen gestellt. Wer die Bilder von geschredderten Küken, verhungerten Kindern oder misshandelten Ferkeln nicht ertragen kann, auch wenn es die pure, harte Wahrheit ist, kann sich die Single Lost auf Bandcamp anhören.
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Zu Beginn wird man vom Klang eines alten Zahlensenders begrüßt. Das klingt unheimlich, das ist es auch. Diese Sender dien(t)en dazu, Agenten weltweit via Radio auf bestimmten Frequenzen zu erreichen, damit diese dann Befehle ausführen können. Nach ein paar Sekunden setzen Trommeln ein, der Gesang kommt mit der Gitarre um die Ecke. Akustisch wähnt man sich auf weiter Flur, umgeben von einem eisigen Wind. Die Bandmitglieder kommen aus Schweden und Großbritannien, was den Sound erklären kann. Die elektrischen Gitarren flirren hier und da durch, die Stimme der Sängerin ist leicht verzerrt und wird ab und an von einer Männerstimme unterstützt. Textlich wird die menschliche Gesellschaft behandelt. Wir sind als Menschheit verloren, wir verbrauchen mehr Planet als wir übrig haben und lassen alles und jeden hinter uns, der nicht mithalten kann. Die Folgen kann man sehen, sie werden einem täglich vor Augen gehalten und dennoch ignoriert man sie, weil man die Bilder zu oft gesehen hat oder weil man das Elend nicht wahr haben mag. Auf jeden Fall eine sehr aufrüttelnde Single. Das Album Ellengæst wird am 09.10.2020 auf Season Of Mist erscheinen. 

Crippled Black Phoenix - Lost
(Quelle: Youtube.com)

Der nächste Track hat zwar ein weniger brutales Thema, auch die Bildsprache ist weniger brutal. Es gibt viele Gäste im Clip, das Thema ist klar. Es geht um das noch laufende Jahr 2020. Das Virus und was alles noch passiert ist, gerade wegen des Viruses oder auch anderweitig, siehe Wirecard. Kafvka will zwar 2020 skippen, was man auch sonst so mit anderen ungeliebten Sachen macht, Tracks, die man nicht mag, Werbung vor Youtube-Videos, Videospielzwischensequenzen, wenn man sie schon zum zigsten Male sehen muss, weil man wieder verkackt hat. 

Aber ich persönlich denke, dass das Jahr mit all seinen Ereignissen, die Pflaster von den erkennbaren Wunden reißt, die überall zu sehen sind. Mangelnde Digitalisierung der Gesellschaft, die rechten Umtriebe (die man ja nicht wahr haben will), Schlachtbetriebe, die ihre Mitarbeiter aus dem Osten Europas ankarren lassen und zu menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten und leben lassen, Finanzunternehmen, die es so gar nicht geben dürfte und Fluggesellschaften, die um Geld betteln. Klar könnte man nun auch kritisieren, dass man keine Parties mehr feiern kann, dass man keine Konzerte mehr besuchen kann oder massenhaft Festivals abgesagt werden. Dem Virus ist es aber egal, woher du kommst, wieviel Kohle du im Monat machst oder woran du glaubst. Da muss man mal eben die Arschbacken zusammenkneifen. Die ganzen Probleme müssen m.E. angegangen werden, damit das Jahr 2020 nicht ganz verloren ist und nicht umsonst geskippt wird. Hier trifft, fast wie im Nu-Metal, Rap auf Metal und Rock, aber weniger proletenhaft. Der Rap ist böse und bei jeder Line denkt man: "Scheiße, er hat Recht." 

Kafvka - Skip 2020
(Quelle: Youtube.com)


Und dann fühlst du dich trotzdem noch machtlos.

Samstag, 29. August 2020

Boy & Bear - Boy & Bear at Golden Retriever Studio (Nettwerk Music Group)

Vielleicht kennt das jemand von euch. Ihr bekommt Musik vorgeschlagen und merkt im ersten Moment, dass der Titel alle Sinne anspricht und eine gewisse Tiefe und Raum hat... oder auch Bauch. Wer Bad People in der akustischen Version von Boy & Bear hört, wird verstehen, was gemeint ist. 

Die australische Band gibt es seit 2009 und sie hat seit dem vier Alben aufgenommen. Das neue Album wurde, wie es der Titel schon beschreibt, in den Golden Retriever Studio in Sydney aufgenommen. Dabei ist es eigentlich nichts anderes, als eine Sammlung eigener Titel und Cover, die man durch die Erfahrungen auf Tour in den USA, einfach als Akustikversion aufgenommen hat. Wie oben schon erwähnt, werden dabei aber alle Sinne angesprochen, die Musik klingt nach Mehr, man könnte es mit klassischer Musik vergleichen, wo jeder Frequenzbereich gut ausstaffiert ist und man nichts vermisst. Man ist überrascht, wie reichhaltig das alles auf einmal sein kann, wenn man sich nur Mühe gibt und seine Erfahrungen einfließen lässt. Man denkt automatisch an Künstler wie Todd Hannigan, Jack Johnson oder Kings of Convenience und wünscht sich automatisch diese Zeit zurück. Man könnte sich vorstellen, dass die Tracks auf einen Surf-Film passen oder zu einer Dokumentation, wo es um Reisen geht. Auf das Album haben es nur neun Titel geschafft, die insgesamt auf eine Spiellänge von nicht ganz 35 Minuten kommen. Durch die angesprochenen Qualitäten geht der nächste Durchlauf oder Durchläufe voll in Ordnung. Man kann sinnieren, in die Weite schweifen und sich in Gedanken verlieren, die etwas schwermütiger sind. 

Release: 04.09.2020
Label: Nettwerk Music Group

Anspieltipps: Old Town Blues, Limit Of Love, Wicked Game

6/6 Punkten (Das hier ist vollwertige Musikkost.)


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Boy & Bear - Boy And Bear At The 
Golden Retriever Studio 
(Quelle: Presskit von Nettwerk Music Group)

Freitag, 21. August 2020

Youtubisch Vol. 38

Wir sind in einer düsteren Welt gelandet, die Apokalypse ist ausgebrochen und wir stehen vor den Scherben, die einst unsere Welt waren. Dennoch bietet diese zerstörte Welt eine Möglichkeit für einen Neuanfang. Genau das wollen uns die Deftones mit ihrem neuen Titel "Ohms" sagen. Das Intro zum Song ist bereits nicht so düster, wie man es von den Männern aus Sacramento gewöhnt ist. Die Gitarre hat nun wieder eine Seite mehr bekommen, also gibt es nun neun umwundene Drahtfäden (oder sind das schon Seile?) am Instrument. Sie klingt auch etwas dreckiger. Die Stimme von Chino erkennt man aus tausenden immer wieder. Gegen Ende des Songs klingt die band wieder optimistisch, als wenn man seine dunkle Vergangenheit und alles Schlechte hinter sich gelassen hat und nun nach vorne gucken kann, frei von alten Lasten. Das Album Ohms wird am 25.09.2020 in verschiedenen Versionen erscheinen. 

Deftones - Ohms
(Quelle: Youtube.com)


Lage, Lage, Lage. Das ist nicht nur im Immobilienmarkt wichtig. Auf "Gaslight" von Bitch Falcon trifft das ebenso zu. Hier liegen so viele Lagen Musik übereinander, dass man sich sofort eingelullt fühlt. Die gezeigten Bilder geben ihr Übriges dazu. Der Bass und das Schlagzeug drücken ordentlich von unten und jede neue Note fordert den Zuhörer und erzeugt immer mehr Spannung. Auch der Track Test Trip zeigt, dass der Bass hier eher das Sagen hat und viel voran treibt... achja, Lagen gibt es hier ebenso viele Das dazugehörige Album wird Staring At Clocks heißen und am 06.11.2020 veröffentlicht. 

Bitich Falcon - Gaslight
(Quelle: Youtube.com)


Und wer noch tiefer in den Kaninchenbau will, höre sich Things That Fall From The Sky von Laboratory Noise an.

Montag, 17. August 2020

Kid Dad - In A Box (Long Branch Records/SPV/Fleet Union)

Kid Dad hatten wir hier mal im Interview, wer sich vielleicht daran erinnert. Damals waren die Jungs mit RAZZ auf Tour und es gab nur eine kurze EP, das Potential der Band zeigte sich bereits hier. Auch auf der Bühne konnte das Quartet überzeugen. 

Nun ist zwischen dem Interview und In A Box relativ viel Zeit vergangen, die Jungs studieren ja noch. Ihr angesammeltes Wissen spiegelt sich auf dem Langspieler in jeder einzelnen Sekunde wieder. Das Beginnt schon beim kurzen Intro, welches einen leeren Raum darstellt. Die Aufnahmen hingegen fanden außerhalb von gewohnten Bahnen statt, da man mal in Ostfriesland, mal in Berlin und auch Hannover war. Wer jetzt genau diese Einflüsse sucht, kann sie finden, das muss aber nicht passieren. In A Box wirkt wie aus einem Guss aber dennoch spannend. Es gibt Spannungsbögen, man wirkt zerbrechlich wie im Grunge, es gibt nicht direkt lärm. Dann gibt es Songs, die Anfangen wie die besten Stücke von The XX, um dann doch mal kurz mit den Gitarren alles niederzuschlagen. Und genau im selben Stück geht es dann wieder zurück zu den Briten, die früher gerne viel Schwarz trugen. Direkt im ersten Durchlauf hat man das Gefühl, dass das ein Album voller Lieblingslieder werden kann. Die Melodien schneiden sich direkt in die Gehirnwindungen fest und mehrfach huscht einem einen Grinsen über das Gesicht, da man den nächsten guten Moment auf der Platte erwischt hat. 

Thematisch geht es recht ernst zu. Man singt über unsichtbare Gefängnisse, darüber, dass man am liebsten Brennen würde, es geht um den Selbsthass, dass man nicht der sein darf, der man ist und dass man hier und da Notlügen einschleust, was mitunter die menschliche Natur ist. Das sind mitunter die Themen, die einen umtreiben, wenn man erwachsen wird und auf seine Eltern oder Großeltern sieht, was die alles in ihren jungen Jahren erreicht haben. Man nimmt dem Sänger diese schweren Gedanken ab, man hört den Schmerzen, die Fragen und die Zweifel. 

Wie bereits erwähnt, setzen die jungen Männer aus dem Studium in ihrer Musik um. Es gibt nichts, was zu viel ist, nichts, was absichtlich streckt oder irgendwo künstlich eingestreut wird nur um ein paar Minuten mehr Musik auf den Langspieler zu bringen. Experimente, wie absichtlich falsch gestimmte Gitarren auf A Prisoner Unseen, glücken erstaunlicher Weise und passen direkt ins Soundgewand.

Release: 21.08.2020
Label: Long Branch Records / SPV

Anspieltipps: Happy, [I Wish I Was] On Fire, Window

6/6 Punkten (In diesem Alter sind die schon so gut!)

Kid Dad - In A Box
(Quelle: Bandcamp.com)