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Dienstag, 5. Dezember 2017

7. Nachschlag: Dillon - Kind (Pias)

Wann beginnt Pop und wann endet Kunst? Bei Dillons aktuellem Album Kind verschwimmt genau diese Grenze, aus einfach zugänglicher Musik und anspruchvollen Klanglandschaften mit ziemlich interessanter Instrumentalisierung.

Gab es beim Vorgänger noch Schreibblockaden, entwickelte sich "Kind" natürlicher. Die Künstlerin begann geschriebene Textfetzen zu sammeln und so zu sortieren, dass daraus Songs entstehen konnten. Natürlich bleiben auch die eigenen Dämonen nicht aus. Das Lied "Lullaby" entstand, nachdem sie zwei Monate nicht schlafen konnte. Sie sang sich damit selbst in den Schlaf, mit der Textzeile "Schlaf ein." Bei dem ganzen Englisch und etwas Portugiesisch fallen diese Worte besonders auf. Auch weil man am Angfang kaum glauben mag, dass es sich eben genau um diese Worte handelt und nicht einfach irgendetwas englisch Dahingemurmeltes. Instrumental finden wir neben Trompeten und anderen analogen Instrumenten auch elektronische Synthies. Dabei erinnert man sich entfernt an Größen wie Fever Ray, BjörkMy Brightest Diamond und auch Purity Ring. Dadurch wirkt das Werk, welches auf sich auf 35 Minuten abspielt, nicht homogen, eher wie eine kleine Ansammlung von Ideen, die dank der Produktion zu gereiften Titeln heranwachsen können, auch wenn "The Present" komplett mit dem iPhone aufgezeichnet wurde und keine instrumentelle Untermalung erfährt. Ob das selbe Konzept auch bei "Te Procuro" angewendet wurde, ist nicht ganz so klar, trotz oder gerade weil man hier mit einem Klavier arbeitet. Und nach diesen beiden Titeln wird das ganze Tanzbarer, bleibt aber dennoch mystisch. Ob es aber Material gab, welches man noch auf die Platte hätte packen können, weiß man nicht. Ob es dann noch mehr Tanz- und weniger Kopfmusik gegeben hätte, kann man nicht beantworten. Es wäre auf jeden Fall interessanter geworden.

Den Namen "Kind" findet man hier überigens dreimal, nicht nur das Album wurde so benannt, auch der Opener und der letzte Titel heißen "Kind"... auch wenn es am Ende dann doch "2. Kind" heißt. Da Dillon schon seit einigen Jahren in Deutschland lebt und die Sprache spricht, kann man das Wort sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch lesen und auch verstehen. Im Bezug zu "Lullaby" wirkt der Albumname, sowie auch die beiden Titel, nochmal ganz anders und verschafft dem doch recht kurzweiligen Langspieler eine zusätzliche Mystik. Erschienen ist das Album am 10.11. auf PIAS Recordings im Vertrieb mit Rough Trade.

Anspieltipps: Sades Fade, Contact Us, Killing Time

5,5/6 Punkten (Drum schlaf auch du.)

Dillon - Kind
(Quelle: Roughttraderecords.com)

Sonntag, 12. November 2017

Die 27. Fleet Union: Fjørt - Couleur

Nach nicht mal zwei Jahren gibt es wieder Lärm aus Aachen. Fjørt werden mit ihrem Album Couleur politischer denn je, haben aber kein strikt politisches Album geschrieben. Die Band sagt, dass sie die politischen Entwicklungen, die vom rechten Rand kommen und Unterstützer haben, so nicht unkommentiert stehen lassen wollen, auch wenn es im Titel "Raison" heißt, dass man genau das Gegenteil vor hatte. Aber auch Sucht, Eifersucht und Unversehrtheit sind Themen, die man Textlich anschneidet, auseinandernimmt und einem, zum Teil fast unangenehm, vor die Augen/Ohren hält.

Musikalisch sind wir immer noch zwischen Hardcore und der Postversion dessen, auch wenn man musikalisch gegenüber dem Vorgänger leicht gewachsen ist. Man traut sich an synthetisch erzeugte Klänge, man findet neue Soundlandschaften, die es auf Kontakt so noch nicht gab. Da sind die Gitarren mal eben nicht immer bretthart, man ist auf einmal sphärisch veranlagt. Die eingetretenen Freiräume lassen einen in die Texte eintauchen, die Musik differenzierter wahrnehmen. Sowas kennt man schon von The XX, auch wenn diese Band eher fernab des Stils von Fjørt ist. Dennoch sollten Fans nicht besorgt sein, man beherrscht immer noch Gitarrenwände, die einen förmlich erschlagen wollen.

Frings Stimme ist auch nicht immer am Schlag, man ist jedoch durch den gewählten Gesangsstil nie ganz im Einklang zu den Instrumenten. Das kennt man aber auch nicht anders von dieser Band und unterstreicht so die Message, die sie übertragen möchte. Frings klingt eher so, als wenn er den Zuhörer ermahnen will, ihn akustisch wachrüttelt. Wie bereits oben erwähnt, sind einige Textstellen nicht von schlechten Eltern. Dabei ist es erstaunlich, dass man mit "Karat", dem letzten Titel des Langspielers, den Titel des Openers aufgreift und so den Kreis schließt, denn hier geht es immer "Südwärts" bis die Drums völlig übersteuert sind und den Zuhörer an den Anfang des Albums werfen. Man hat gelernt, dass man Tracks ineinanderlaufen lassen kann, was bei bestimmten Tools und Geräten etwas störend wirkt, bzw. ähneln Tracks, wie "Couleur", am Anfang wie kaputte Dateien/CDs oder ein Rechner, der gerade die Hufe hochreißt.

Die Produktion ist, trotz der relativ kurzen Zeit zwischen "Kontakt" und "Couleur", gelungen. Der Bass ist sehr gut herauszuhören, die Gitarren sind vielfältig in den Raum gestellt und die Trommeln runden den Sound druckvoll ab. Auch die eingefaltene Synthetik passt und ist nicht fehl am Platz. Fast 44min ist man in der Welt dieser Band gefangen, die durch die Sprache eine unangenehme Position schafft, in der man immer wieder zur unangenehmen Selbstreflektion gezwungen ist. Chapeau meine Herren, das hat man nicht alle Tage. Veröffentlicht wird Couleur am 17.11. auf Grand Hotel van Cleef.

6/6 Punkten (Textlich immer noch unantastbar.)

Anspieltipps: Couleur, Eden, Magnifique

Fjørt - Couleur
(Quelle: Presskit von Fleet Union)