Mittwoch, 17. Mai 2017

Die 21. Fleet Union: Employed To Serve - The Warmth Of A Dying Sun

Es ist interessant, wie schnell sich manch Musikgenre selbst überholt und man auf den verschiedenen Musikplattformen auf einmal Bands findet, die klingt wie der xte Abklatsch von irgendeiner anderen Musikkapelle, ganz zu schweigen, dass man stets nur die gleiche Klaviatur beherrschen zu scheint. Und dann gibt es Bands, wie Employed To Serve, die durch ihre Kreativität ein ganzes Genre weiterbringen und eine eigene Klangfarbe entwickeln und verfeinern können. Fast zwei Jahre ist es her, da hat hier die Band aus England für ordentlich Trubel gesorgt. Mit ihrem Album Greyer Than You Remember hat man ein starkes Album voller Kraft, Chaos und Gewalt auf den Markt gebracht.

Und nun stirbt die Sonne und gibt noch einmal etwas Wärme ab. Die Band selbst hat an ihrem Sound nochmals geschliffen. Was auf dem ersten Langspieler nach viel Chaos und dem Verscheuchen von Ungeziefer klang, ist nun einem Monster gewichen, was alles und jeden plättet, was sich ihm in den Weg stellt. Man hat anscheinend alle Instrumente tiefer gestimmt und den Knopf am Bass ein wenig weiter aufgedreht. Wirkte das erste Album eher flach produziert, so kommt mit The Warmth Of A Dying Sun mit Frequenzen daher, die einem mit Unbehagen zurücklassen können. Alleine das Wabern im Intro des Titels "The Warmth Of A Dying Sun" lässt einen spüren, wie sich das Ende der Welt anfühlen könnte, wenn die Sonne sich einmal so aufgebläht hat, sodass die Erde in Gänze vernichtet wird. Aber das wird erst in ein paar Milliarden Jahren passieren. 

Auf der anderen Seite gibt es auch Titel, in denen die Ruhe einhält, die einen am Ende an die Hand nehmen, um dann ein paar Sekunden später wieder in den Pit voller moschender Körper geschmissen zu werden. Manche Menschen meinen, dass das hier alles nichts mehr mit Musik zu tun habe, aufgrund des Lärms und der Strukturen, die sich abzeichnen. Sicher, die jungen Musiker um Justin Jones geben alles, sei es mit ihren Stimmbändern oder ihren Instrumenten. Dabei gibt es hier nicht nur brachiale Dreifingergriffs, sondern auch detailverliebtes Gespiel, welches viel handwerkliches Können abverlangt. Einige Titel sind, wie auf dem Vorgänger, immer noch so vertrackt, dass ein Titel klingt, als bestünde er aus drei separaten Titeln, die man ineinander gemischt hätte.

Am Ende liegt man mit den Bandmitgliedern unter einem Apfelbaum und genießt mit ihnen die Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach scheinen. Hier hat man ein Album, wenn nicht gar DAS Album des Jahres 2017 in den Händen. Veröffentlicht wird dieses Monster von Langspieler am 19.05. auf Holy Roar Records.

Anspieltipps: 

Good for Nothing: Wie ein erfahrener Boxer kommt das Quintett angetänzelt und springt die dann ad hoc in ein Gesicht und wühlt mit drückenden Gitarren und Bass in deinen Eingeweiden. Violent Dancing ist hier quasi vorprogrammiert.

I Spend My Days (Wishing Them Away): Das hatten wir hier schon einmal, was aber nichts daran hindert, dass dieser Titel genau den Querschnitt dieses Albums wiedergibt. Von absolutem Zermalmen bis hin zum Hoffnungsschimmer ist hier alles vertreten, was auch auf dem Album in vielfältiger Form zu finden ist. Die Vorzeigesingle.

The Warmth Of A Dying Sun: Mit hinterlegtem, fiesen Wabern hören wir eine Stimme, welche uns durch ein Telefon erzählt, was sich draußen vor seinen Augen abspielt. Beängstigend wirkt dieser Einstieg in den Track, zwischen all dem Stress innerhalb des Songkonstrukts kommt man am Ende doch mit einem Happy-End davon.

6/6 Punkten (Eine herrliche Entwicklung dieser Band)

Employed To Serve - The Warmth Of A Dying Sun
(Quelle: Presskit von Fleet Union)

Sonntag, 23. April 2017

Bandcamptage Vol. 155

Es gibt sicher einige Leser, die sich fragen, was mit Bring Me The Horizon los ist, warum die nicht mehr so hart sind wie auf ihren ersten Alben. Ob der Kommerz da seine Hände im Spiel hat? Wie könnte man sich sonst die ganze Merch-Reihe erklären, von Unterhosen über USB-Powerbanks bis hin zu einem Paar Socken kann man sich fast komplett einkleiden.

Wer musikalisch in der Kerbe der ersten Alben sucht, kann mit der EP Past Yout von Heart of Poseidon vielleicht ein wenig glücklich werden. Vier Titel werden von der Band aus Łódź für einen frei wählbaren Preis angeboten und schütteln euch richtig durch. Es gibt zwar hier und da ein paar Gesangseinlagen, das tut dem Vorwärtsdrang der Musik keinen Abbruch. Die Produktionsqualität ist super und fast alles bestens zusammen. Durch die Spielzeit von 18 Minuten kommt gar nicht daran vorbei, sich die ganze Geschichte erneut auf die Ohren zu geben. Wer also Metalcore mag, kann hier getrost zugreifen. Und wer sich das Cover des Albums genauer anguckt, kann vielleicht ein paar Parallelen zu Suicide Season ziehen.

Heart Of Poseidon - Past Of Youth
(Quelle: Bandcamp.com)

War jetzt früher doch alles besser?

Samstag, 15. April 2017

Konzertbericht: Jinjer + Nullachtfuffzehn (13.04.17 Sage Club, Berlin)

Eine Geschichte in drei Akten. So könnte man diesen Abend im Sage Club bezeichnen. Wo fängt man hier an? Der Einlass war wohl später als gewohnt, aber das war noch zu verkraften. Aber denkt jetzt nicht, dass der Abend komplett für die Hose war. Wie üblich bei solchen Veranstaltungen, legt ein Plattenspielalleinunterhalter auf... am MacBook natürlich. Dabei kramt er von Beginn an die Rock-Klassiker der frühen 2000er aus und lässt dabei auch nicht Nickelback oder Sum41 aus. Er erwischt sogar einen Titel der Filthy Dukes und Incubus.

Nach etwas mehr als 2 Stunden Musik aus dem Rechner kommt die erste Band auf die Bühne. Nullachtfuffzehn wollen die Jungs genannt werden. Der erste Gedanke vieler, die in edlen schwarzen Bandshirts im Pit stehen: "What the fuck?" Wer hat bitte den basketballspielenden Hippster vom Spielfeld geholt auf die Bühne gelassen? Ach so, die Jungs meinen das also ernst? Jeder mit einem schwarzen Shirt einer Metalband verdreht die Augen und wähnt sich im falschen Film. Die Band selbst spielt irgendwas zwischen Pop, Funk und Rock, zwar nicht härteste Schiene, aber immerhin werden Saiteninstrumente bedient. Ihr Handwerk beherrscht die Gruppe, ohne Frage, wenn man aber Metal erwartet oder irgendetwas in härterer Gangart, bietet sich jedoch dort auf der Bühne ein akustischer Autounfall. Der Großteil der Masse wird dabei auch nicht bewegt, außer die paar Groupies, die brav nach jedem Titel jubeln. Nach einer knappen Stunde bedankt man sich fleißig bei Jinjer, die ja danach kommen sollen, kündigt den eigenen Merch an und verschwindet von der Bühne. Ob die wussten, dass der Mainact mit seinem Sound Wände einreißt? Auf ein Campusfestival, wie Laut gegen Nazis, würde diese Band super passen, aber nicht vor einer Metalkapelle. Der Merch bleibt dementsprechend liegen.

Während des Stage-Over gibt es auch einen Crowd-Over, der DJ (müsste der jetzt nicht eigentlich MacJ heißen oder MJ?) legt nun eine Spur härter auf, Nirvana und The Offspring plärren nun aus den Boxen und die Menge geht mit. Das Publikum ist zunehmend in schwarz gehüllt und jeder wartet sehnsüchtig auf Jinjer.

Die Band wird vom Intro des aktuellen Albums auf die Bühne geleitet und schmettert sofort los, als gäbe es kein Morgen mehr. Die gesamte Menge bewegt sich auf und ab, von links nach rechts und von oben nach unten. Kein Stein bleibt auf dem anderen und das hat einen guten Grund. Es gibt technisch versierten Metal in vollstem Klanggewand. Das was man auf Platte bekommt, wird genauso live wiedergegeben und der Rest der Nullachtfuffzehn-Fans fragt sich: "Kommt das aus ihrem Mund?" Man spielt sich durch die bekannten Singles, wobei die Stimme und Saiten der Hitze und der dazugehörigen Anstrengung standhalten. Und ehe man sich versieht zeigt die Uhr 1:00, mitten in der Nacht. Die Band kommt so gut an, dass man zur Zugabe aufgefordert wird. Die Sängerin klopft auf ihren Brustkorb, 90 Minuten zwischen klarem und gutturalem Gesang belastet und dazu noch diese Hitze, die von den sich bewegenden Körpern vor der Bühne ausgeht. Das Publikum ist sicht- und hörbar begeistert. Das Outro von "King Of Everything" geleitet die Band wieder von der Bühne und jeder feiert sie, die Dame und die drei Jungs. Der eindeutige Gewinner des Abends, wenn man das als Wettstreit bezeichnen würde, ist die Metalband aus der Ukraine.

Aktuell sind die Ukrainer noch auf Tour, jeder der die Chance hat, sollte sich dies nicht entgehen lassen.

Jinjer @ Rock At Sage (13.04.17)
(Quelle: eigenes Bildmaterial)

Wo die Band weiterhin Wände einreißen wird, seht ihr hier:
15.04. - Easter Cross Festival - Oberndorf
16.04. - Alte Hackerei - Karlsruhe
18.04. - Rudeboy Club - Bielsko Biala (PL)
19.04. - U Bazila Club - Poznan (PL)
21.04. - Backstage - München
22.04. - Viper Room - Wien (AT)
28.04. - Werkk - Baden
29.04. - Les Prisons - Moudon (CH)
30.04. - Les Rats - Puget Sur Argens (F)
03.05. - Azkena - Bilbao (ES)
04.05. - Sala Lemon - Madrid (ES)
05.05. - La Burbuja - Castellón (ES)
06.05. - Razzmatazz - Barcelona (ES)
07.05. - 16 Toneladas - Valencia (ES)
09.05. - Gibus Live- Paris (F)
10.05. - Le Fridge - Bordeaux (F)
12.05. - Come Inn - Renchen
13.05. - Circus - Florenz (IT)
14.05. - Traffic Club - Rom (IT)
15.05. - Rock Town - Pordenone (IT)
17.05. - Freaked Studio - Reims (F)
18.05. - Der Kult - Nürnberg
19.05. - Channel Zero - Ljublijana (SVN)
20.05. - Cross Fest - Ceske Budejovice (CZ)
21.05. - M-Klub - Valašské Meziříčí (CZ)
27.05. - Rock Metal Camp Festival - Hilaire Les Places (F)

Mittwoch, 5. April 2017

Gunner Records die 10te: Mobina Galore - Feeling Disconnected

"Punk's not dead!" Dieser Gedanke kommt einem zuerst in den Sinn, wenn man die ersten paar Akkorde von Mobina Galores aktuellstem Werk Feeling Disconnected hört. Denn von Sekunde eins wird dir hier alles entgegengeschmissen was man aus Gitarre und Schlagzeug so rausholen kann und das volles Ballet in Sachen Geschwindigkeit. Der Gesang schwangt hier zwischen lauterem Geschrei mit leichter Melodie und Hymnen, die sich nach dem ersten Durchlauf komplett in den Hirnwindungen festsetzen und da auch nicht mehr weg wollen, Ohrwumrgarantie wird hier groß geschrieben. Es klingt an vielen Stellen so, als hätte man dem Pop-Punk die nötige Attitüde und den Rotz verliehen, dem es eben diesem Genre aus der Jahrtausendwende fehlte. Und dabei bleibt man nicht bei den üblichen Drei-Akkord-Schemen, das zeigt sich in Titeln wie Partner In Crime.

Eben diesem Genre entsprechend hat man auch die Titel sowie das ganze Album kurz gehalten. Mit dem letzten hidden Track, der nach ein paar Minuten Stille aufschlägt, kommt man auf 36 Minuten. Mehr braucht es auch nicht. Es ist wie beim Sex, manchmal liegt die Würze in der Kürze. Dieser Ansatz hält das Machwerk frisch und verführt zum Repeat des Albums. Die Produktion ist auf Höhe der Zeit und lässt keine Wünsche offen. Am Ende vom Tag will man sich das Ding laut im Autoradio geben und durch die kaputtesten Ecken der Stadt cruisen, mit Porno-Brille auf der Nase und Beanie auf dem Kopf. Released wird der kurze Kracher am 07.04. auf Gunner Records und kann bereits auf dem Bandcamp-Account der Band gestreamt werden.

Anspieltipps: Vancouver (der beste Track überhaupt), Partner In Crime, Suffer

5,5/6 Punkten (WHOA! I HERE VANCOUVER CALLING)

Mobina Galore - Feeling Disconnected
(Quelle: Bandcamp.com)

Sonntag, 2. April 2017

Das 4. Add On Music: Nick & June - My November My

Zwischen 2012 und dem Jetzt liegt eine Zeitspanne in der sehr viel passieren kann. Dies gilt wahrscheinlich auch für das Nürnberger Duo Nick & June. Es liegt nicht nur eine EP und das Album "Flavor & Sin" zwischen diesen beiden Zeitpunkten, man spielte bereits auf mehr als 300 Mal auf den Bühnen dieser Republik, durfte den Soundtrack für About A Girl kreieren und bekam die Chance mit Udo Rinklin (dem könnt unter anderem für die Platten von Philipp Poisel danken) das Konzeptalbum My November My aufzunehmen.

Was bekommt man nun, wenn man sich das 45-Minuten-Werk anhört? Schwere Melancholie und laute Fragen nach dem Warum. Die Stimmen der beiden Musiker geben dir die Möglichkeit sich zu verlieren, in Gedanken über das Vergangene, über die "Was-wäre-wenns", über vergangene Chancen und keiner der beiden scheint dir böse, wenn du eine Träne laufen lässt. Musikalisch bewegen sich Nick & June zwischen beschwingtem Folk und seichtem Pop, alle Instrumente, die ihr hört, wurden vom Duo selbst eingespielt. Die Produktion lässt, dank der fachmännischen Handhabe, keine Wünsche offen, auch wenn das Intro nicht auf den Gehalt des Albums schließen lässt. Manch einer würde es vielleicht als Täuschung bezeichnen, aber am Ende vom Tag ist es immer noch das Werk von zwei Musikern aus Nürnberg, denen man nicht sagen muss, was sie zu tun und zu lassen haben. An einigen Stellen hätte Nicks Stimme etwas mehr druck verdient, June wäre dann vielleicht untergegangen. Es kann gut sein, dass wir ihre Musik an einigen Stellen wiederfinden werden, sei es im Radio oder vielleicht unter irgendeinem Werbespot für Mobilfunkanbieter, der melancholischer nicht sein könnte. Es sei Ihnen gegönnt. Erschienen ist die Ode an den November am 31.03. auf AdP-Records.

Anspieltipps: Ships & Flags, Home Is Where The Hearts Hurts Pt. 1, Tiger

5/6 Punkten (So flanieren wir in den nächsten Sommer voller Sonnenauf- und -untergänge)

Nick & June - My November My
(Quelle: Presskit von Add On Music)