Sonntag, 29. Dezember 2019

Mountain Bird - DearBrainLetMeSleep (Nettwerk Music Group)

Mountain Bird, bürgerlich Adam Öhman, den hatten wir hier schon mal. Hierzulande ist er leider ein noch recht unbeschriebenes Blatt. In Schweden hingegen, wo er herkommt, hilft er verschiedenen Musikern bei der Produktion ihrer Titel und kreiert die Beats für den schwedischen Fernsehsender TV4. Dabei kommt sein Schaffen nicht von ungefähr. Als kleiner Junge saß er viel bei seiner Mutter, als diese Klavier spielte und begab sich in das Zimmer seiner Schwester um dort dann das Schlagzeug zu spielen. Für beide Instrumente nahm er Unterrichtsstunden. Seine Eltern ließen sich scheiden, als er 16 war und er bekam schlimme Panickattacken. Er sperrte sich mit seinem iMac ein und experimentierte Stundenlang mit GarageBand. Das half ihm und er fand einen Weg sich auszudrücken.

Auf seiner neuen EP "DearBrainLetMeSleep" beschäftigt er sich damit, was jedem mal irgendwie widerfährt, wobei der Name der EP schon alles sagt. Jeder kennt diesen Moment: man liegt unter der Bettdecke, man weiß, dass man am nächsten Tag früh aufstehen muss und dann macht der Kopf auf einmal ganz andere Dinge und der Schlaf fällt flach. Dabei handelt die EP nicht nur davon, es geht um die Bewältigung der eigenen Vergangenheit, um die verflossene Liebe, die einem sagt, dass man sich doch in paar Jahren treffen könnte. Er singt auch darüber, dass einen seine Tränen nicht weiterbringen werden oder das man sich fragt, wann man über seine Ex hinweg ist und nicht noch an sie denkt. Musikalisch geht es fast konträr zu den Texten zu. Die Trauer fließt in die Musik mit ein, wird aber von einigen tanzbaren Passagen unterbrochen. Dabei erinnern Tracks wie Hiding Under Water oder "5years" fast schon an Tracks von Moby. Über die Produktion kann man sich nicht beschweren, alles ist perfekt abgestimmt und der Bass wummert ordentlich. Die Samples passen und man findet sogar ein paar Gitarren. Wenn man selber produziert, sollte das aber auch kein Ding sein. Leider ist es aber wieder nur eine EP, man kommt auf etwas über fünfzehn Minuten Spielzeit und nach drei oder vier Durchläufen weiß man wo man ist und hat seine Lieblingstracks gefunden. Vielleicht braucht er aber noch Zeit und hat viel zu tun. Das wird aber nur er selbst wissen, das Zeug zu einem sehr guten Album hat er auf jeden Fall.

Release: 03.01.2020
Label: Nettwerk Music Group

5,5/6 Punknten (Was wohl erst auf einem Album alles abgehen würde?)

Mountain Bird - DearBrainLetMeSleep
(Quelle: Presskit von Nettwerk)

Donnerstag, 26. Dezember 2019

Big Scary Monsters - Annual Sale (Bandcamptage)

Big Scary Monsters, ein kleines Label aus Oxford, macht, wie wohl jedes Jahr, einen kleinen Ausverkauf. Das heißt, ihr könnt euch alle Alben herunterladen, für einen Preis, der euch in den Kram passt.

Ohne dieses Label gäbe hier einige Reviews nicht und schon gar nicht mein aller erstes, welches ich vor fast acht Jahren für Scene 2 Act (die Seite ist mittlerweile offline) geschrieben hatte. Auf dem Label gibt es auch die Tall Ships, Delta Sleep, TotorroSorority Noise, Alpha Male Tea Party, mewithoutYou, Gulfer, Gnarwolves, Terrible Love und viele mehr.

Dazu gibt es auch ein paar Schmankerl von Minus The Bear und La Dispute. Im Grunde ist für fast jeden was dabei und so nach Weihnachten, ist das, meiner Ansicht nach, eines des besten Geschenke, die man machen kann. Aber beeilt euch, der Sale endet am 02.01.2020.


Big Scary Monsters
(Quelle: Wikipedia)

Sonntag, 15. Dezember 2019

Culcha Candela - Besteste (Culcha Sound/Add On Music)

Das zweite Best Of innerhalb von 17 Jahren kann man schon mal bringen. Man hat ja viel Erfahrung und hat die Musiklandschaft mitgeprägt. Und diese Erfahrung führte wohl auch dazu, diese Compilation auf dem eigens gegründeten Label zu veröffentlichen.

Die Zeit der Veröffentlichung dieser Sammlung ist, mit Verlaub geschrieben, recht schräg gewählt. Draußen ist es grau und kalt, der Klimawandel führt dazu, dass es jetzt im Dezember in Niederungen kaum noch schneit. Also bleibt das nervige, graue Novemberwetter. Da wirkt das Album mit dem Gemisch aus Reggae, Dancehall und Rap fast wie ein Antidepressivum, zumindest wenn die Partykracher wie Hamma! oder Partybus über die Lautsprecher laufen. La Bomba führt euch direkt nach Lateinamerika, hier bekommt ihr dann einen Salsa-Kurs gratis hinterhergeworfen. Also Hitze soweit das Ohr hören kann. Zu den besten Tracks gibt es sechs neue, dazu gehören unter Anderem No Tengo Problema (dessen Musikvideo in Kooperation mit Samsung komplett in 8k entstand), Ballern und Dinero. Diese Songs liegen auf dem Doppelalbum auf der zweiten CD, fügen sich aber in den Sound der Band ein. Man nimmt von hier und da ein paar neue Einflüsse mit und macht sie sich zu Eigen ohne das es dabei sperrig klingt oder sonderlich aus dem Rahmen fällt. Der Titel selbst, also "Besteste", ist dagegen recht sperrig, ist aber in der heutigen Jugendsprache (dank Youtube und den anderen sozialen Netzwerken ) häufiger zu finden.

Wer nun gar nicht weiß, was das für eine Band ist, aber Interesse hat, kann hier gerne in das CD-Regal greifen. Wer die ganzen Alben aber schon hat, weil er eben schon Fan ist, wird mit den sechs neuen Titeln dazu animiert, sich ebenfalls dieses Doppelalbum in das heimische Regal zu stellen.

Release: 13.12.2019
Label: Culcha Sound

Anspieltipps:
Von den Oldies: La Bomba, Rodeo, Partybus
Von den Newbies: No Tengo Problema, Ballern

5/6 Punkten (Zumindest scheint dann die Sonne von Innen.)

Culcha Candela - Besteste

Freitag, 13. Dezember 2019

Leitkegel - Wir sind für dich da (My Favourite Chords/Fleet Union)

Leitkegel hatten wir hier mal. Da gab es "Neben dem Strom" noch viel Sturm und Drang und man musste einiges lernen. Die Band selbst hat zwischen Raketenwissenschaft und Wir sind für dich da ein paar Split-EPs herausgebracht und "Raketenwissenschaft" neu aufgelegt. Bereits damals fielen die interessanten Texte auf, da man Neurosen einpacken sollte oder ein Salat Zweifünfzig kosten würde. Und nun?

Tja, man ist gewachsen, in fast sämtlichen Dimensionen, die man sich vorstellen kann. Das Album ist ordentlich lang, man hat es auf ganze neun Titel geschafft und der Sound ist mehr als anständig ausstaffiert. Aufgenommen wurde WSFDD (die Kurzform) live, man kann auf einigen Tracks ein paar Einzähler hören. Instrumental hat man sich getraut, die ursprünglichen Pfade etwas auszutreten und breiter zu machen. Auf Ich hab 99 Probleme und das Mädchen hat mich gibt es eine Trompete (an wen erinnert euch dieser Titel wohl?) und in Über Täler und durch Berge gibt es Streicher. Der Sound an sich klingt schon fetter als auf dem Vorgänger, man kommt an vielen Stellen an Fjørt heran (hatten wir hier und hier schon mal), Strassenkampf könnte glatt aus deren Feder stammen. Das besungene Thema ist hierbei nicht weniger ernst. Man kann aber auch spitzfindigere Texte schreiben (siehe Erste Welt Probleme), aus den Raketenwissenschaftzeiten konnte man gut lernen.

"Wir sind für dich da" erschließt sich in den ersten Durchläufen viel über den Klang, über den drückenden, teils scheppernden Bass, über die Gitarren, die sehr virtuos eingesetzt werden, über die bereits erwähnten Instrumente und auch die wilden Rufe aus dem Hintergrund. Erst später, wenn man die Texte in einigen Hirnwindungen installiert hat, nimmt man das Album auf einer anderen Ebene wahr. Man findet die Spitzfindigkeiten und auch sich selbst. So gut wie jeder wird angesprochen, jeder kennt irgendeine der besungenen Situationen und schaut auf. Und der Sänger, der ist nicht nur mehr Kläger sondern auch Sänger. Er findet Harmonien, lullt den Zuhörer ein und schreit dann wieder mit voller Inbrunst. Das ergibt einen sehr großen Replay-Faktor, aber den hatte der Vorgänger auch schon.

Release: 13.12.2019
Label: My Favourite Chords

Anspieltipps: Wie soll man sich hier entscheiden?

Strassenkampf: Man spannt zu Beginn einen kleinen Bogen, den man dann mit voller Wucht explodieren lässt. Die Gitarren stellen mit dem Bass massive Wände auf, die dann vom Sänger eingerissen werden.

Über Täler und durch Berge: Dieser Titel schreit förmlich nach Liebeskummer. Hier sind die Streicher an Board und geben noch mehr Emotion mit, dabei quillt das hier an allen Ecken und Kanten über.

OJ Simpson (Waffen töten keine Menschen): Eine krude Mischung aus Emo, Rock, Punk und etwas Math-Gefrickel. Der erste Satz schlägt richtig ein. Dabei geht es wohl um falsche Freunde und den Versuch, Nichts großartig wirken zu lassen (ihr wisst schon, die sozialen Netzwerke und so).

Ohne Frage: 6/6 Punkten (Einmal Bauwagenplatzromantig mit Strassenkampf zum Mitnehmen bitte)

Leitkegel - Wir sind für dich da
(Quelle: Presskit von Fleet Union)