Sonntag, 26. November 2017

Die 28. Fleet Union: Dialects - Because Your Path Is Unlike Any Other

Dialekte gibt es in vielen Sprachen, diese sind mitunter an Regionen oder gar ganze Länder gebunden. Anders als man vermuten könnte, hat das Quartet Dialects aus Glasgow keinen Sänger, sondern zwei Gitarristen, einen Bassisten und jemanden für den Rhythmus. Dennoch gibt es hier und da ein paar sprachliche Einwürfe. Das Englisch aus Schottland ist, mit Verlaub geschrieben, auch etwas schwer zu verstehen.

Wer Superluminal, den ersten Track von Because Yor Path Is Unlike Any Other, googelt, wird direkt hellhörig. Es geht hier im Überlichtgeschwindigkeit. Das gesamte Album ist gespickt mit Anleihen aus der Astronomie. Mal geht es um die Fluchtgeschwindigkeit, als die Geschwindigkeit, die man braucht um einen Himmelkörper verlassen zu können. Ein anderes Mal geht es um Lichtechos und die Gravitation, die kein Geist ist. Also recht anspruchsvolle Themen, für ein Album, das nur spartanisch mit Textzeilen gespickt ist. Dennoch gibt man sich komplex, da die Musiker sich im Progressive Rock bewegen und viele Mathrock-Anteile einfließen lassen. Das führt einerseits zu vielen komplexen Soundstrukturen, andererseits kann es dazu kommen, dass man das Thema vermisst, es sei denn, man versteht Mathrock. Die Saiteninstrumente werden hier sehr virtuos bedient und bilden mal Wände, mal simple Landschäftchen, mal wird nur akzentuiert. Das geschieht alles recht druckvoll und lässt keine Wünsche offen. Durch eben den gewählten Stilmix, geben sich die Landschaften, Akzente und der leere Raum teilweise innerhalb eines Titels die Klinke in die Hand. Das braucht einerseits Verständnis, kann auf der anderen Seite aber für Aha-Momente sorgen und überraschen. Wer sich den Langspieler mit diesem relativ langen Namen mehrfach gibt, kann das ganze in verschiedenen Ebenen wahrnehmen und verarbeiten, quasi multidimensional begreifen, da man durch die Textknappheit sehr viel Spielraum hat. Hier würde jeder Kunst-, Musik- und vielleicht auch Deutschlehrer fragen: "Was will uns der Künstler damit sagen?" Keine Antwort wäre falsch. Und dabei hat man 49 Minuten Zeit um seine eigene Wahrheit zu finden, unterfüttert mit den Erkenntnissen aus Physik und Raumfahrt. Und wer noch nicht genug hat, kann sich die zehn Titel nochmal geben und mitwippen, kopfnicken, rumzappeln oder auch einfach dasitzen. Veröffentlicht wurde die Reise durch Zeit und Raum am 24.11. auf Through Lover Records.

Anspieltipps: Superluminal, Light Echo, Illusory

5/6 Punkten (Mit Gitarren durch Zeit und Raum)

Dialects -
Because Your Path Is Unlike Any Other
(Quelle: Presskit von Fleet Union)

Sonntag, 12. November 2017

Die 27. Fleet Union: Fjørt - Couleur

Nach nicht mal zwei Jahren gibt es wieder Lärm aus Aachen. Fjørt werden mit ihrem Album Couleur politischer denn je, haben aber kein strikt politisches Album geschrieben. Die Band sagt, dass sie die politischen Entwicklungen, die vom rechten Rand kommen und Unterstützer haben, so nicht unkommentiert stehen lassen wollen, auch wenn es im Titel "Raison" heißt, dass man genau das Gegenteil vor hatte. Aber auch Sucht, Eifersucht und Unversehrtheit sind Themen, die man Textlich anschneidet, auseinandernimmt und einem, zum Teil fast unangenehm, vor die Augen/Ohren hält.

Musikalisch sind wir immer noch zwischen Hardcore und der Postversion dessen, auch wenn man musikalisch gegenüber dem Vorgänger leicht gewachsen ist. Man traut sich an synthetisch erzeugte Klänge, man findet neue Soundlandschaften, die es auf Kontakt so noch nicht gab. Da sind die Gitarren mal eben nicht immer bretthart, man ist auf einmal sphärisch veranlagt. Die eingetretenen Freiräume lassen einen in die Texte eintauchen, die Musik differenzierter wahrnehmen. Sowas kennt man schon von The XX, auch wenn diese Band eher fernab des Stils von Fjørt ist. Dennoch sollten Fans nicht besorgt sein, man beherrscht immer noch Gitarrenwände, die einen förmlich erschlagen wollen.

Frings Stimme ist auch nicht immer am Schlag, man ist jedoch durch den gewählten Gesangsstil nie ganz im Einklang zu den Instrumenten. Das kennt man aber auch nicht anders von dieser Band und unterstreicht so die Message, die sie übertragen möchte. Frings klingt eher so, als wenn er den Zuhörer ermahnen will, ihn akustisch wachrüttelt. Wie bereits oben erwähnt, sind einige Textstellen nicht von schlechten Eltern. Dabei ist es erstaunlich, dass man mit "Karat", dem letzten Titel des Langspielers, den Titel des Openers aufgreift und so den Kreis schließt, denn hier geht es immer "Südwärts" bis die Drums völlig übersteuert sind und den Zuhörer an den Anfang des Albums werfen. Man hat gelernt, dass man Tracks ineinanderlaufen lassen kann, was bei bestimmten Tools und Geräten etwas störend wirkt, bzw. ähneln Tracks, wie "Couleur", am Anfang wie kaputte Dateien/CDs oder ein Rechner, der gerade die Hufe hochreißt.

Die Produktion ist, trotz der relativ kurzen Zeit zwischen "Kontakt" und "Couleur", gelungen. Der Bass ist sehr gut herauszuhören, die Gitarren sind vielfältig in den Raum gestellt und die Trommeln runden den Sound druckvoll ab. Auch die eingefaltene Synthetik passt und ist nicht fehl am Platz. Fast 44min ist man in der Welt dieser Band gefangen, die durch die Sprache eine unangenehme Position schafft, in der man immer wieder zur unangenehmen Selbstreflektion gezwungen ist. Chapeau meine Herren, das hat man nicht alle Tage. Veröffentlicht wird Couleur am 17.11. auf Grand Hotel van Cleef.

6/6 Punkten (Textlich immer noch unantastbar.)

Anspieltipps: Couleur, Eden, Magnifique

Fjørt - Couleur
(Quelle: Presskit von Fleet Union)

Mittwoch, 8. November 2017

Bandcamptage Vol. 158

Wer von euch mal wieder etwas härteres auf die Ohren braucht und dem Sound von Knocked Loose oder den Emil Bulls etwas abgewinnen kann, der könnte vielleicht mit Nailbox und ihrer EP Nailbox zufrieden gestellt werden. Auch wenn ich zugeben muss, dass die Mischung etwas verrückt klingen mag.

Die Gitarren nicht so tief gestimmt sind, wie eben bei Knocked Loose, dennoch geht es hier ordentlich zur Sache. Auf fünf Titel verteilt bekommt ihr Hardcore und/oder Posthardcore vom feinsten, mit allem was dazugehört. Breakdowns, Gebrüll und schmetternde Instrumente. Man kann sich die Show vor dem geistigen Auge schon vorstellen und möchte am liebsten mitmachen, auch wenn die eigenen Knochen vielleicht zu alt sind. Laden dürft ihr euch dieses Album für einen Preis, den eure Brieftasche gerade hergibt, auch wenn ihr nur noch Quittungen und Kassenzettel drin haben solltet.

Nailbox - Nailbox
(Quelle: Bandcamp.com)

Schön, wie das um vier Nachmittags dunkel wird.

Donnerstag, 2. November 2017

Pias 7: Fever Ray - Plunge

Eins vorweg, es wird nun kurz etwas persönlicher. Fever Ray entdeckte ich persönlich im Jahre 2009 durch puren Zufall, wie auch immer dieser zustande kam. Der Track Seven war entweder im Kraftfuttermischwerk integriert oder wurde mir vielleicht empfohlen. So genau kann ich das heute nicht mehr sagen. Eins war jedoch klar, der Sound hat mich irgendwie mitgenommen und mir gezeigt, dass es mehr Musik gibt, die hörenswert ist, als das was das lokale Radio spielt. Bürgerlich heißt die Schwedin Karin Dreijer Andersson und könnte dem ein oder anderem auch von Röyksopp bekannt sein, zumindest hat sie bei den Jungs die Gesangsspuren zu What Else Is There, Tricky Tricky und This Must Be It beigesteuert. Nun war es aber so, dass es seit 2009 kein richtiges Lebenszeichen gab, bis zum 27.10. 2017, denn da erschien, zuerst nur digital, das Album "Plunge".

Dabei bleibt Fever Ray ihrem Stil treu, alles ist finster, in ihrer Welt scheint es kein richtiges Glück zu geben. Dennoch gibt es hier und da ein paar durchaus tanzbare Abschnitte, die "IDK ABout You". Der Großteil des Albums hat Karin in ihrem eigenen Stockholmer Studio aufgenommen und ziemlich viele Produzenten an Land gezogen, darunter Deena Abdelwahed, Tami T und Peder Mannerfelt. Auf dem Album findet sich natürlich viel synthetisch erzeugter Klang, dennoch gibt es neben Karins recht prägnanten Gesang, ein paar Soundschnipsel, die jeder kennt, wie den Freizeichenton in "Falling". Textlich kann es anzüglich werden, wenn sie zum Beispiel in "This Country" singt, dass es in diesem Land hart sei zu kopulieren. In To The Moon And Back (ist das eine Anspielung auf einen Titel aus den 90ern?) singt sie darüber, wie sie die Finger in das weibliche Geschlechtsteil des Gegenüber stecken möchte. Und wer den "Red Trails" genauer zuhört, entdeckt nicht nur ein Streichinstrument, sondern auch was über die Lieblingsmalfarbe der Künstlerin. Und am Ende des Trips, der 48 Minuten umfasst, wird man von "Mama's Hand" aus den dunklen Tiefen des Albums geholt. Die Platte lässt keine Wünsche offen, es sei denn, man kann sich nicht mit Anderssons Stimme anfreunden. Warum man aber die Veröffentlichung auf analogen Medien auf den Februar verschoben hat, das habe ich bis heute nicht erfahren.

Anspieltipps: IDK About You, Wanna Sip, A Part Of Us

6/6  Punkten (Acht Jahre Ruhe und dann sowas.)

Fever Ray - Plunge
(Quelle: Presskit von Pias)