Freitag, 29. Oktober 2021

SEEYOUSPACECOWBOY - The Romance Of Affliction (Pure Noise Records/Kinda Agency)

Für mich ist Snowboarden kathartisch. Ich stehe auf dem Brett, habe den Hang vor mir im Blick und reagiere nur, denn zum Nachdenken fehlt die Zeit und wenn man dann doch realisiert, was passieren könnte, dann passiert es meist auch. Dies könnte zwar ein Aberglaube sein, dennoch fahre ich seit Jahren ohne Sturz. 

Für Connie Sgarbossa ist es das Schreiben. Zwei Wochen nach den Aufnahmen zu The Romance Of Affliction starb sie fast an einer Überdosis. Sie sagt, dass die Texte auf dem Album wie eine Prophezeiung gewesen sind und zu diesem Umstand geführt hätten. Sie hat die letzten paar Jahre reflektiert, die Kämpfe im Alltag und der Versuch, in allem dennoch etwas schönes zu sehen. 

Untermalt werden die geschrienen und gesungenen Texte von sehr viel Gewalt und Chaos. Die Band nennt es Sasscore. Fast alles klingt wild, es gibt hier und da ein paar harte Cuts, und wenn man einen Breakdown erwartet, dann kommt er auch. Und wie der dann kommt, als wenn der Produzent und die Band genau wüssten, wie der Zuhörer gerade tickt. An den Reglern saß niemand geringeres als der Gitarrist der Band Knocked Loose (Review hier). Wer SYSC kennt, weiß was er zu erwarten hat. Um etwas Luft zu holen, hat man hier und da ein paar ruhige Momente eingestreut, die sind aber eher selten. Alles andere lädt dazu ein, seinen Nacken zu strapazieren. Denn es drückt ordentlich auf den Trommelfellen. Es werden aber auch Erinnerungen an Norma Jean's Memphis Will Be Laid To Waste (hatten wir hier mal) wach. Und wer nach 40 Minuten noch nicht genug hat, kann sich den Kopf gern nochmal durchpusten lassen, auf eigene Gefahr versteht sich. 

Release: 05.11.2021
Anspieltipps: With Arms That Bind and Lips That Lock, Intersecting Storylines To The Same Tragedy, Ouroboros Is An Overused Metaphor

6/6 Punkten (Ab wann darf man eigentlich die Emo-Tolle wieder tragen?)

SEEYOUSPACECOWBOY - The Romance
Of Affliction 
(Quelle: Presskit von Kinda Agency)

Dienstag, 26. Oktober 2021

Lygo - Lygophobie (Kidnap Music/Fleet Union)

Eigentlich wollte man nach der Tour 2019 eine größere Pause einlegen, um einfach mal alles sacken zu lassen. Und dann hatten die Jungs von Lygo im Jahre 2020 nicht so all zu viel zu tun. Der Drummer beschäftigte sich intensiv mit Musikproduktion und schaffte somit die Möglichkeit, dass man sich als Gruppe isoliert neuen Songs widmen konnte. Alle Titel von Lygophobie sind im Probenraum entstanden und auch dort aufgenommen worden. 

Auch wenn der Name des Langspielers wie ein intelligentes Wortspiel klingt, handelt sich hierbei doch um einen Fachbegriff. Es handelt sich hierbei um die Angst vor der Dunkelheit. Die Band erzählt mit ihren Texten von dunklen Seiten und Zeiten. Es geht um schlaflose Nächte; um eine Gesellschaft, die sich im Netz darstellt und hemmungslos kommentiert; um Polizeigewalt und das eigene Selbstmitleid und dem Selbstmord (oder den Moment danach, wenn man sich nicht getraut hat), zumindest lassen einige Textzeilen aus Warmes Bier und Kalter Kaffee darauf schließen. Vielleicht hat der Deutschunterricht hier seine Spuren hinterlassen, mit der berühmten Frage: "Was will uns der Künstler damit sagen?"

Wie bereits schon erwähnt, hat der Drummer hier die Zügel in der Hand gehabt. Die Drums drücken ordentlich fett; der Bass hat viel Platz bekommen und ist pregnant vor Ort und der Gitarrist weiß sein Instrument zu bedienen. Der Sänger singt weniger, er klagt eher an. Das passt aber auch zum klanglichen Gesamtkonzept, denn alles prügelt, dann muss die Stimme eben auch drüber sein. Wer etwas mit Akne Kid Joe, Fjørt (hatten wir hier und hier mal) oder Turbostaat etwas anfangen kann, der darf hier gern zugreifen. 

Release: 29.10.2021
Label: Kidnap Music

Anspieltipps: Zusammen im Bett, Fight Club, Schockstarre

6/6 Punkten (Hier gibt es Texte für den Leistungskurs Deutsch)

Lygo - Lygophobie
(Quelle: Presskit von Fleet Union)

Freitag, 8. Oktober 2021

Vök - Feeding On A Tragedy (Nettwerk Music Group)

Die Wege, die man auf In The Dark (das hatten wir hier mal), waren nach dem Vorgänger abzusehen. Nun kam Covid dazwischen und vieles lief und läuft andes. Auf der EP Feeding On A Tragedy geht die Band einen Schritt zurück, oder sogar zwei. Man hat aus unerfindlichen Gründen seinen eigenen Sound wiedergefunden, seine eigene Würze wiederentdeckt. So scheint es. Das Intro zu Running Wild klingt zwar eher nach Western, kommt man aber bei Skin an, so winken hier Circles und Tension ordentlich mit den Zaunpfählen. Nur sprachlich hält man sich im leicht verständlichen Englisch auf, laut Margrét Rán würden die Texte auf Isländisch eher kitschig wirken, so schrieb sie mir es mal auf Instagram, als ich sie darauf ansprach, dass die aktuellen Lieder ja alle auf Englisch seien. 

Durch diesen leichteren Zugang versteht man, worum es denn nun geht. Dabei gibt es eine Situation, die sich massiv auf das Leben der Künstlerin ausgewirkt hat. No Coffee at the Funeral handelt davon, dass man die Beerdigung des Großvaters nicht traditionell feiern konnte und es am Ende dank Covid keine Speisen und Getränke gab. Thematiken wie die eigene Identität und Persönlichkeit werden behandelt. 

Auch wenn man hier nur vier Titel auf die Ohren bekommt, so ist das gesamte Werk in sich stimmig und kurzweilig. Die Weiten Islands werden wieder hörbarer, im Vergleich zu den Vorgängern. Die Synthies sind kühl und kuscheln mit den analogen Instrumenten. Zusammen mit Margréts Gesang wird man richtig eingelullt und möchte eigentlich nichts anderes, als diese EP in Loop laufen lassen, langweilig wird es auf jeden Fall nicht.

Release: 08.10.2021
Label: Nettwerk Music Group

Anspieltipps: Skin (wegen des "klassischen" Vök-Sounds, Running Wild 
Eigentlich solltet ihr euch die ganze EP am Stück geben. 

6/6 Punkten (Vikrelega gott verk.)


Vök - Feeding On A Tragedy
(Quelle: Presskit von Nettwerk)