Mittwoch, 19. Oktober 2022

Boundaries - Burying Brightness (3DOT Recordings/Kinda Agency)

Um gleich mal in die Vollen zu gehen, die Platte  Burying Brightness beginnt wie eine Hardcore-/Deathcore-/Metalcore-Platte nun mal klingt. Alle Standards werden abgefahren und man macht überall seine Häkchen, weil man da schon mal gehört hat aber geil findet. Aber dennoch schmeckt die Soße so, als hätte man die schon einmal erwärmt. Weil die Band Boundaries aber ihr Handwerk beherrscht, hört man weiter durch das Album, ein Gefühl des Getriebenseins macht sich breit. 

Es gibt hier und da ein paar Lichtblicke, es gibt ab und an Gesang, nicht nur derbes Geschrei. Ab Resent and Regret merkt man einen leichten Bruch. Die Band kann auch einfühlsam sein, man erinnert sich an vergangene Emo-Zeiten. In der Mitte des Tracks wird es auf einmal etwas glicthi, beim ersten Durchlauf könnte das vielleicht garnicht auffallen. Der Folgetrack, Realize and Rebuild, bleibt auch ziemlich emolastig, dabei ist das eine offizielle Single. 

My Body Is A Cage hat ein verstörendes Intro, wenn man darüber nachdenkt, dass ein Kind sagt: "My Body Is A Cage". Als das Outro einsetzt und der Sound auf einmal vor dem Ohr verwischt, verzerrt und in einen Clubbeat mündet, merkt man, dass die Jungs mehr vorhaben. Sie wollen nicht nur brettern, auch wenn sie das sehr gut können. - ist dann einfach nur ein Technokracher vor dem Herren, dass Ding hätte easy Platz in einem Berliner Technokeller gefunden. 

Nach diesem Ausflug schlägt man wieder voll zu und greift in die 7, 8 oder 9 Saiten. Aber dieser kurze Glitch lässt eben aufhorchen. Man betrachtet die Künstler mit anderen Augen. Das opulente Ende, was fast so klingt, als hätte man um ein paar Ecken mit Silver Snakes Album Year Of The Snake (hatten wir hier mal) rumgemacht oder wolle den Deftones imponieren. The Tower misst 10 Minuten, schon mal was von nem hidden Track gehört? 

Das Album ist mehr als gelungen, die Produktionsqualität ist über alle Zweifel erhaben und macht, vorausgesetzt, die Kopfhörer können den Druck wiedergeben, von vorn bis hinten Spaß. 

Release: 14.10.2022
Label: 3DOT Recordings

Anspieltipps: It Begins To Speak, -, My Body Is A Cage, The Tower

6/6 Punkten (Zwischen Pogen und Violent Dancing einfach mal gekonnt nen Rave reinschieben.)

Boundaries - Burying Brightness
(Quelle: Presskit von Kinda Agency)

Montag, 17. Oktober 2022

Heilung - Drif (Season Of Mist)

Der Nebel steht dicht über den Boden, es ist kühl und nass. Ihr seht euch um, friert und wisst nicht wo ihr seid. Nur aus der Ferne vernehmt ihr einen rhythmischen Schlag, es ertönen Hörner und ihr beschließt, langsam in die Richtung der Töne zu gehen. Immer auf der Hut, nicht vielleicht doch jemandem unterwegs zu begegnen, der euch ans Leder will. Eure Füße rascheln im Laub, ihr werdet bemerkt. Ihr habt nun zwei Alternativen: fliehen und sich verdächtig machen oder sein Ansinnen erklären. Es gibt noch kein Verständnis für Zeit, es wird hell und dunkel und hier oben, wo ihr gelandet seid, gibt es des Nachtens, "tanzende Frauen" am Himmel, von denen es viele Legenden gibt. Man ist der Natur eng verbunden, nutzt alles was man findet und verschwendet nichts. 

Die Zeitreise, auf die euch die Band Heilung schickt ist genau das. Das Trio kann sich zwar nur an Artefakten und überbrachten Texten orientieren, dennoch wirkt alles authentisch. Angefangen bei den Instrumenten, die teilweise aus menschlichen Überresten bestehen, über ihre Kostüme auf der Bühne und den Musikvideos bis hin zu den Bräuchen, die die Künstler selbst vollziehen. Die Trommel, die auf der Bühne gespielt wird, wurde mit dem Blut des Trios rot eingefärbt. Glaubt ihr nicht? Klickt hier

Und es klingt genau so, wie man es sich vorstellt. Man landet zu Beginn in einem Tanzkreis, es wird auf einer längst verlorenen Sprache gesungen. Dann setzt auf Asja die himmlische Stimme von Maria Franz ein. Es bilden sich Klangteppiche, ein Streichinstrument trägt euch, schleppend klingend, zur nächsten Strophe. Sphärisch ist alles, als würde man einer Zeremonie beiwohnen. Das ist das Steckenpferd der Band, auch wenn Drif einen Hauch moderner klingt als seine Vorgänger. Man schafft es dennoch regelmäßig über 7 Minuten zu kommen. Rein sprachlich haben ein paar neue Phonetiken Einzug gehalten, da die Band sich nun nicht mehr rein am Nordischen festhält, sondern alle Hochkulturen aus der Zeit von vor über 5000 Jahren die Ehre erweisen möchte.  Die Synthetik zeigt sich hier und da etwas stärker, fällt aber nicht unangenehm auf. Auch die Lesungen wurden auf eine, Keltentrauer, eingedampft, da gab es auf Ofnir und Futha mehr. Das kommt den heutigen Hörgewohnheiten schon etwas mehr entgegen. Einlassen muss man sich dennoch, denn diese Musik läuft leider nicht im normalen Radio. Gute Kopfhörer oder Lautsprecher braucht man hier allemal. Nicht nur nimmt man die kleinen Details besser war, die Tiefen werden besser Transportiert und man landet noch tiefer im akustischen Keltenbau.

Release: 19.08.2022
Label: Season Of Mist

Anspieltipps: Asja, Urbani, Nesso

6/6 Punkten (Stein Schleift Schädel!)

Heilung - Drif
(Quelle: Presskit von Season Of Mist)

Samstag, 8. Oktober 2022

Vök - Vök (Nettwerk Msuic Group)

Nach mehr als 9 Jahren Bandgeschichte scheint die Band Vök nun den eigenen Sound gefunden zu haben. Zumindest ist das in der Musik meist so, dass wenn man einen Langspieler nach sich selbst benennt, dass hier der eigene Sound definiert wird. 

Dabei sind nicht alle Tracks hier nigelnagelneu, sondern fanden auch schon auf der EP Feeding On A Tragedy ihren Platz. Die EP hatten wir hier mal, ironischer Weise zur selben Zeit vor einem Jahr. 

Die Band macht da weiter, wo sie vor einem Jahr aufgehört hat, auch wenn der Prozess des Musikschreibens ein längerer ist. In der Zeit zwischen den beiden Releases wurden dann ein paar Titel ins Internet geschmissen, das Resultat: fast ganze Album ist bekannt. Die Unbekannten mischen sich heimlich dazwischen und machen das Ding rund. Wenn man überlegt, wie die ersten EPs geklungen haben und wo man soundtechnisch nun liegt, sind da einige Welten dazwischen. Das fällt dann aber auch nur auf, wenn man sich Tension und Vök direkt hintereinander gibt. Alles ist noch tanzbarer, die Musik wirkt nicht mehr ganz so kühl, man möchte fast meinen, dass die Klimaerwärmung die Musik beeinflusst hat. 

Es gibt treibende Rhythmen wie in Miss Confidence, einen reitenden Bass, wie in Lose Control aber auch Momente, wo der Zuhörer denken könnte, dass der Track perfekt unter eine Werbung von einem Auto passen könnte, wie in Something Bad. Dabei geht es im letzten Titel wohl eher um die eigene Erfahrung, dass man geahnt hat, das etwas Schlimmes passieren wird. Denn danach gibt es keinen Kaffee zur Beerdigung. Ist der Track Illuminating eigentlich schon Schlager?

Release: 23.09.2022
Label: Nettwerk Music Group

Anspieltipps: Lose Control, Headlights, Miss Confidence

5/6 Punkten (Nicht ganz frisch aber dennoch neu.)

Vök - Vök (Quelle: Bandcamp.com)