Mittwoch, 28. Oktober 2020

Ferris MC - Missglückte Asimetrie (Arising Empire/Focusion)

Wollt ihr den totalen Freak? Das fragte einst Ferris MC in einem Interview mit der Visions bereits vor ein paar Jahren. Und wer sich das Album Missglückte Asimetrie gönnt, der bekommt genau das. Dabei gibt es hier, anders als es einige vermuten könnten, keinen Rap. Aber nur einen einzigen Musikstil bekommt man hier auch nicht. 

Akustisch ist es viel mehr eine Reise durch das Plattenregal des Musikers. Einst Teil der Deichkinder, ist er nun teil der Missglückten Welt. Dementsprechend klingt das hier. Es gibt Punk, bei dem sich der Zuhörer beim Mitgröhlen etwas gefährlich fühlen darf. Es gibt aber auch modernen Metal, mit richtig derbe tief gestimmten Gitarren (die haben bestimmt mehr als nur sechs Saiten). Aber auch Pop-Punk schafft es auf die Missglückte Asimetrie, aber keine Sorge, auch hier gibt es ein böses Augenzwinkern. 

Denn textlich bewegen wir hier uns zwischen Seelenstrip, Asipunk und der Gesellschaftskritik. Da bekommt der klopapierhortende Besorgte Hutbürger sein Fett weg (Kompliment), es werden Bullenwagen geklaut und Innenstädte demoliert, aber auch das Leben am Stadtrand in der Platte wird besungen (13. Stock). Ob es ihm am Arsch vorbeigeht, dass er nicht mehr bei den Deichkindern ist, weiß vielleicht nur er. Es klingt aber so, als wenn das einer seiner Hochpunkte im Leben war. Schlussendlich lassen die Texte sehr tief blicken, auch wenn die Gäste ihren Senf dazu geben. 

Die Produktion der Platte lässt sich echt hören, obwohl man stellenweise etwas drüber ist (man höre Death Magnetic von Metallica). Vielleicht will man das aber auch genau so haben, das ist der Punk der euch mit nem leicht norddeutschen Schlag im Nacken sitzt und immer wieder Schellen verteilt, wenn man sich mal wieder nicht sieht. Alles ballert und ist fett abgemischt, danach hat man ein angenehmes Rauschen auf den Ohren. 

Einzig die Balladen passen nicht ganz so ins Konzept, aber es sei ihm und seiner Missglückten Welt gegönnt. Nach zwölf Titeln geht es direkt zurück zum Anfang, nicht über los, es gibt keine 5000€ sondern wieder 46 Minuten Missglückte Asimetrie.

Release: 23.10.2020
Label: Arising Empire

Anspieltipps:
Bullenwagen: Hier darf sich jeder gefährlich fühlen. Schocky und Swiss stehen euch bei und klauen mit dir die nächste Wanne. Oma und Opa stellen sich so sicher die richtig bösen bösen Punks vor und der Lehrer lädt zum Gespräch ins Lehrerzimmer ein.

120 Dezibel: Welt aus, Musik an. Das ist der Grundton des Songs. An den Gitarren sitzen wohl Munky's und Head's Doppelgänger der Band Korn. Ein schöner Song für die deprimierte Jugend, die sich bald wieder wegen irgendwelcher Spinner einsperren muss.

Du hast eine Rolex: Das nervende Facebookposting, dass Geld nicht das Wichtigste im Leben ist sondern Zeit. Ferris sieht es positiv und sagt sich, dass er den Stress am Morgen nicht braucht und der Typ mit der Rolex zwischen seinen Terminen eh einen Wolf läuft. Kennt wer von euch noch (hed) p.e.?

5/6 Punkten (Wir ham Ferris, was habt ihr?)

Ferris MC - Missglückte Asimetrie
(Quelle: Presskit von Focusion)

Sonntag, 25. Oktober 2020

The Sceenshots - 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee (Musikbetrieb R.O.C.K./Check Your Head)

Jeder kennt diesen Moment, wenn man an einem bestimmten Ort ist und einem auf einmal DIE weltbewegende Idee überhaupt hat. Auf dieser Basis fußt 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee von The Screenshots. Das Punktrio aus Köln macht sich Gedanken über die Phänomene, die neue Firmen so mit sich bringen, die es vor ein paar Jahren noch nicht gab. Man vermietet dank Airbnb an wildfremde Leute unter und lässt sich dafür mehr Geld geben. In manchen Fällen läuft dies am Rande der Legalität. 

Man soll aber auch, wie Elon Musk, an seine Träume glauben, denn manche werden war. So brüllt es der Sänger einem in die Ohren. Aber auch, dass was in der Welt passiert, sei es Mord und Todschlag, ist einfach so in den Mediatheken abzurufen. Sowie Talkshows mit ungeliebten Gästen des rechten politischen Spektrums. Da sie sich die Band im deutschen Sprachraum bewegt, sind die Texte leicht zu verstehen, es werden immer wieder abstruse Bilder der Realität gezeigt. 

Nicht alles, was man hier hört, ist purer Punk. Es gibt ein paar Prisen Rock, Post-Irgendwas aber auch Autotune hat man auf die Platte gehievt. Den müsst ihr aber selber suchen, man kann ja nicht immer mit der Nase drauf stoßen. Die Mischung passt aber zu den leicht schräg eingesungenen Liedern, es gibt so ein leicht ironisches Zwinkern zwischen den Zeilen. Wie aber üblich für den Punk, kommt man kaum über 30 Minuten, verteilt auf elf Titel. 

Release: 16.10.2020
Label: Musikbetrieb R.O.C.K.

Anspieltipps: j@@@@@@@@, Liebe Grüße An Alle, Walter White ist tot

4,5/6 Punkten (Wo sind diese einfachen Ideen hin, wenn man sie mal braucht?)

The Screenshots - 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee
(Quelle: Presskit von Check Your Head)

Samstag, 17. Oktober 2020

Crippled Black Phoenix - Ellengæst (Season Of Mist)

Wer sich vielleicht erinnern kann, die Band Crippled Black Phoenix hatten wir hier mal, mit ihrem recht verstörenden Video zu Lost, welches nicht mehr und nicht weniger als bittere Wahrheit über das Leben zeigt, welches hinter unserem Leben abspielt. 

Dabei fing alles gar nicht mal so gut an. Als man mit den Aufnahmen für Ellengæst beginnen wollte, hatte sich der Sänger Daniel Änghede kurzfristig dazu entschieden, die Band zu verlassen. Natürlich könnte man an dieser Stelle schon mal den Sand in den Kopf stecken (das fühlt sich sicher ekelhaft an), nicht so diese Band, obwohl man schon etwas Glück gehabt haben muss. Denn es meldeten sich genügend andere Musiker, darunter Berühmtheiten wie Gaahl oder Vincent Cavanagh. Und eben durch diese Gastmusiker und Freunde (so werden sie zumindest in der Mail von Season Of Mist aufgeführt) wirkt jeder Song in sich, wie ein eigenständiges Teilstück, dass mächtiger ist, als der Titel davor. 

Die generelle Grundstimmung auf "Ellengæst" (ein Wort aus dem Altenglischen mit einem Hauch Skandinavischer Sprache angehaucht, steht für einen starken Geist) ist recht düster, fast unangenehm, aber dennoch pompös. Das Grundgerüst besteht hier nicht nur aus den einfachen Rock-Zutaten (nicht das Kleidungsstück), sondern integriert alles, was die heutige Technik möglich macht. So auch Samples eines alten Zahlensenders in "Lost" oder aus Filmen, wie in In The Night. Dieser Titel wirkt so, als hätte Nick Cave eine ziemlich depressive Phase gehabt und diese lyrisch sowie musikalisch umgesetzt. Dabei hören wir eben Gaahl, den ehemaligen Sänger der Black-Metal-Band Gorgoroth. Die Gitarren klingen so, als hätten wir seit den Achtzigern nichts besseres gehabt, es gibt sogar ein Gitarrensolo. Der Sound aus der Vergangenheit zieht sich zum größten Teil durch das gesamte Werk, was über 56 gewaltige Minuten misst. Man könnte es einen Hauch von Shoegaze nennen, für Blackgaze ist hier zu wenig physische Gewalt auf der Platte enthalten. 

Durch den stetigen Wechsel der Gäste auf den Titeln und die dadurch entstandenen, eigenen kleinen Microkosmen, kommt keine Langeweile auf, auch wenn viele der Titel die Grenze von sieben Minuten übersteigen. Trotzdem wirkt hier nichts unglücklich gestreckt und der aufgefüllt, alles es ist so geworden, wie es eben hätte werden sollen. Jeder, der sich dem Album hingibt, wird seinen eigenen Favoriten finden und vielleicht auch nachforschen wollen, wer der ein oder andere Gastmusiker ist und was für Musik dieser gemacht hat oder auch noch macht. 

Release: 09.10.2020
Label: Season Of Mist

Anspieltipps: Lost, She's In PartiesCry Of Love

5,5/6 Punkten (Der richtige Soundtrack für diese ungemütlich dunklen Tage.)

Crippled Black Phoenix - Ellengæst
(Quelle: Presskit von Season Of Mist)

Mittwoch, 14. Oktober 2020

CATALAN! - Veritas (Gunner Records)

Die Band CATALAN! kommt aus Belfast, einem der Schauplätze der des Nordirlandkonflikts in den 70er Jahren. Katalanisch ist die Sprache Kataloniens, einer Region Spaniens, die sich seit Jahren autonom erklären. Und bei Veritas handelt es sich um niemand anderen als die römische Göttin der Wahrheit. Wie ihr lesen könnt, wird hier gleich bedeutungsvoll gestartet. Es geht auf dem Album aber weniger "schwergewichtig" zu, als es dieser ganze Namenskladderadatsch vermuten lässt. Mit Verlaub geschrieben, ist der Sound auch für Gunner Records, da wo Veritas, das Album, erschienen ist, relativ ungewöhnlich. 

Wer erinnert sich noch an die ersten Jahre hier NebendemStrom? Auf Twitter ist es ja auch Trend, den Anfang mit dem Jetzt zu vergleichen. Die Retrospektive ist insofern sinnvoll, da sich auf "Veritas" die Sounds hören lassen, die wir einst hier, hier und hier hatten. Die Tall Ships kamen auch aus UK, dann ist das mit dem Sound auch nicht so sehr weit hergeholt. 

CATALAN!'s Klangvielfalt schwingt zwischen großer Theatralik, mächtigen Soundwänden, bestehend aus viel Gitarre und einem drückenden Bass, und fast kindlicher Naivität, die sich meist in den vorgetragenen Gedichten wiederfinden lässt, hin und her. Bereits auf dem Opener Roussillion Serenade ist klar, wo es auf den nächsten 43 Minuten hingehen wird. Man darf tanzen, mitrufen, wenn man die Texte nach dem zigsten Durchlauf intus hat, und immer wieder auf akustische Entdeckungstour gehen. Viele Kleinigkeiten erschließen sich erst, wenn man sich der Göttin der Wahrheit vollständig hingegeben hat. Ist da etwa ein Topf im Track Oka versteckt? 

Thematisch, wie kann es im Jahr 2020 auch anders sein, wird die Gesellschaft auseinandergenommen. Man beschäftigt sich mit den Nachrichtenquellen, Blogs und was mit den Menschen passiert, wenn die alles jederzeit googeln können und permanent ihr Leben ins Netz stellen oder zumindest so tut, als würde es ihnen richtig gut gehen. Die Texte verhalten sich diametral zur gespielten Musik. 

Release: 02.10.2020
Label: Gunner Records

Anspieltipps: Single Source, Cornelius, Fortune

5,5/6 Punkten (Da kommen Erinnerungen hoch)

CATALAN! - Vertias
(Quelle: Presskti von Gunner Records)

Samstag, 10. Oktober 2020

Deftones - Ohms (Reprise Records/Neues aus dem CD-Regal)

Die Deftones sind die Deftones sind die Deftones sind die Deftones. Jedes Album, was die Herren aus Sacramento aufgenommen haben, hat seine eigene Atmosphäre und einen eigenen Grundton. Dennoch hört bei jeder Scheibe heraus, dass man die Tones in den Ohren hat. 

Und nun hat man sich nach 17 Jahren wieder mit Quasi-"Haus- und Hofproduzent" Terry Date zusammen getan. Man möchte meinen, dass man das sogar heraushören kann. Wirkte Gore (hatten wir hier mal) noch recht gestückelt, jeder Titel in sich wirkte wie "Jetzt Part A, nun Part B...", wirkt Ohms wie aus einem Guss. Die Songs laufen ineinander über (ein Graus für jeden Mediaplayer, der das nicht beherrscht) und schaffen somit eine Atmosphäre, die einen einfängt. Die gesamte Platte wirkt wärmer und zugänglicher als sein Vorgänger, auch wenn man hier und da ein paar Ecken blicken lässt. Man greift sogar moderne Elemente wie Dreampop in den eigenen Stil auf und lässt es so wirken, als hätte man in all den Jahrzehnten nichts anderes gemacht. Als wäre dieser Sound schon immer da gewesen. 

Die Gitarre von Stephen Carpenter hat wieder eine Saite mehr bekommen. Wenn die Tones so weiter machen, sitzt der gute Mann in fünfzehn Jahren an einer Harfe oder macht bei den Djentgods mit. Egal welches angestrebt werden würde, man würde es ohne Probleme trotzdem in den eigenen Sound einfließen lassen, komme was wolle. Durch die neun Saiten gibt es dementsprechenden Tiefgang, aber die Axt schwingt hier weniger derbe als in Titeln wie Poltergeist oder Goon Squad vom Album Koi No Yokan (hatten wir hier mal). Dass der Bass nicht ganz so nutzlos geworden ist, zeigt der Titel Radiant City, der mit einem Basssolo beginnt, um später dann doch die anderen Bandmitglieder einzuladen um wie die Deftones anno 2003 zu klingen. 

Dem weißen Pony rennt die Band anscheinend nicht mehr hinterher (wie auch mit den tiefen Gitarren?), dennoch ist es der Maßstab, den viele Hörer und Fans ansetzen. Aber von diesem Vergleich muss man sich trennen, da jedes Album, wie anfangs erwähnt, nicht nur ein neues Kapitel öffnet, sondern ein ganzes Buch, welches ein Anfang und ein Ende hat. Die Deftones sind nicht gemacht für Singles, auch wenn es das Label und/oder das Management gern anders hätten. Man hat einmal nachgegeben, den Titel binnen 30 Minuten neu geschrieben und es zutiefst bereut.  

Ohms' ist erschreckend aktuell. Wegen des Viruses stellt man vieles in Frage, es geht um Einsamkeit, um die Abkapselung von der Gesellschaft und die digitale Welt. Das ist aber eher dem Umstand geschuldet, dass Chino Moreno, der Sänger der Band, eine Zeit lang relativ abgeschieden gelebt hat und sich wieder mehr Kontakt zu Menschen wünschte. Nun wohnt er mit seiner Familie wieder am Rand einer größeren Stadt, hat nun aber, wie jeder andere auch, mit der Pandemie und seinen Folgen zu kämpfen. So steht es zumindest in einem Interview mit der Visions

Das Album erschien bereits am 25.09. auf Reprise Records, mit den Rezensionsexemplaren scheint man ordentlich gegeizt zu haben, denn selbst Loudwire hat berichtet, dass man zum Album noch nicht viel hätte sagen können, da man kein Exemplar für eine Rezension bekommen hat. Man ist im 21. Jahrhundert, man hat schnelles Internet und jederzeit Zugriff auf Musik, auch aus illegalen Quellen. Es gibt dennoch Wege (wie das Management von Code Orange mit C-Right) es besser zu lösen. Vielleicht ist das aber auch Meckern auf hohem Niveau. 

Release: 25.09.2020
Label: Reprise Records/Warner

Anspieltipps (Das ist schwerer als ihr denkt):
Genesis, Error, Headless

6/6 Punkten (Gibt es eigentlich ein schlechtes Album dieser Band?)

Deftones - Ohms
(Quelle: Amazon.com)