Samstag, 29. August 2020

Boy & Bear - Boy & Bear at Golden Retriever Studio (Nettwerk Music Group)

Vielleicht kennt das jemand von euch. Ihr bekommt Musik vorgeschlagen und merkt im ersten Moment, dass der Titel alle Sinne anspricht und eine gewisse Tiefe und Raum hat... oder auch Bauch. Wer Bad People in der akustischen Version von Boy & Bear hört, wird verstehen, was gemeint ist. 

Die australische Band gibt es seit 2009 und sie hat seit dem vier Alben aufgenommen. Das neue Album wurde, wie es der Titel schon beschreibt, in den Golden Retriever Studio in Sydney aufgenommen. Dabei ist es eigentlich nichts anderes, als eine Sammlung eigener Titel und Cover, die man durch die Erfahrungen auf Tour in den USA, einfach als Akustikversion aufgenommen hat. Wie oben schon erwähnt, werden dabei aber alle Sinne angesprochen, die Musik klingt nach Mehr, man könnte es mit klassischer Musik vergleichen, wo jeder Frequenzbereich gut ausstaffiert ist und man nichts vermisst. Man ist überrascht, wie reichhaltig das alles auf einmal sein kann, wenn man sich nur Mühe gibt und seine Erfahrungen einfließen lässt. Man denkt automatisch an Künstler wie Todd Hannigan, Jack Johnson oder Kings of Convenience und wünscht sich automatisch diese Zeit zurück. Man könnte sich vorstellen, dass die Tracks auf einen Surf-Film passen oder zu einer Dokumentation, wo es um Reisen geht. Auf das Album haben es nur neun Titel geschafft, die insgesamt auf eine Spiellänge von nicht ganz 35 Minuten kommen. Durch die angesprochenen Qualitäten geht der nächste Durchlauf oder Durchläufe voll in Ordnung. Man kann sinnieren, in die Weite schweifen und sich in Gedanken verlieren, die etwas schwermütiger sind. 

Release: 04.09.2020
Label: Nettwerk Music Group

Anspieltipps: Old Town Blues, Limit Of Love, Wicked Game

6/6 Punkten (Das hier ist vollwertige Musikkost.)


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Boy & Bear - Boy And Bear At The 
Golden Retriever Studio 
(Quelle: Presskit von Nettwerk Music Group)

Freitag, 21. August 2020

Youtubisch Vol. 38

Wir sind in einer düsteren Welt gelandet, die Apokalypse ist ausgebrochen und wir stehen vor den Scherben, die einst unsere Welt waren. Dennoch bietet diese zerstörte Welt eine Möglichkeit für einen Neuanfang. Genau das wollen uns die Deftones mit ihrem neuen Titel "Ohms" sagen. Das Intro zum Song ist bereits nicht so düster, wie man es von den Männern aus Sacramento gewöhnt ist. Die Gitarre hat nun wieder eine Seite mehr bekommen, also gibt es nun neun umwundene Drahtfäden (oder sind das schon Seile?) am Instrument. Sie klingt auch etwas dreckiger. Die Stimme von Chino erkennt man aus tausenden immer wieder. Gegen Ende des Songs klingt die band wieder optimistisch, als wenn man seine dunkle Vergangenheit und alles Schlechte hinter sich gelassen hat und nun nach vorne gucken kann, frei von alten Lasten. Das Album Ohms wird am 25.09.2020 in verschiedenen Versionen erscheinen. 

Deftones - Ohms
(Quelle: Youtube.com)


Lage, Lage, Lage. Das ist nicht nur im Immobilienmarkt wichtig. Auf "Gaslight" von Bitch Falcon trifft das ebenso zu. Hier liegen so viele Lagen Musik übereinander, dass man sich sofort eingelullt fühlt. Die gezeigten Bilder geben ihr Übriges dazu. Der Bass und das Schlagzeug drücken ordentlich von unten und jede neue Note fordert den Zuhörer und erzeugt immer mehr Spannung. Auch der Track Test Trip zeigt, dass der Bass hier eher das Sagen hat und viel voran treibt... achja, Lagen gibt es hier ebenso viele Das dazugehörige Album wird Staring At Clocks heißen und am 06.11.2020 veröffentlicht. 

Bitich Falcon - Gaslight
(Quelle: Youtube.com)


Und wer noch tiefer in den Kaninchenbau will, höre sich Things That Fall From The Sky von Laboratory Noise an.

Montag, 17. August 2020

Kid Dad - In A Box (Long Branch Records/SPV/Fleet Union)

Kid Dad hatten wir hier mal im Interview, wer sich vielleicht daran erinnert. Damals waren die Jungs mit RAZZ auf Tour und es gab nur eine kurze EP, das Potential der Band zeigte sich bereits hier. Auch auf der Bühne konnte das Quartet überzeugen. 

Nun ist zwischen dem Interview und In A Box relativ viel Zeit vergangen, die Jungs studieren ja noch. Ihr angesammeltes Wissen spiegelt sich auf dem Langspieler in jeder einzelnen Sekunde wieder. Das Beginnt schon beim kurzen Intro, welches einen leeren Raum darstellt. Die Aufnahmen hingegen fanden außerhalb von gewohnten Bahnen statt, da man mal in Ostfriesland, mal in Berlin und auch Hannover war. Wer jetzt genau diese Einflüsse sucht, kann sie finden, das muss aber nicht passieren. In A Box wirkt wie aus einem Guss aber dennoch spannend. Es gibt Spannungsbögen, man wirkt zerbrechlich wie im Grunge, es gibt nicht direkt lärm. Dann gibt es Songs, die Anfangen wie die besten Stücke von The XX, um dann doch mal kurz mit den Gitarren alles niederzuschlagen. Und genau im selben Stück geht es dann wieder zurück zu den Briten, die früher gerne viel Schwarz trugen. Direkt im ersten Durchlauf hat man das Gefühl, dass das ein Album voller Lieblingslieder werden kann. Die Melodien schneiden sich direkt in die Gehirnwindungen fest und mehrfach huscht einem einen Grinsen über das Gesicht, da man den nächsten guten Moment auf der Platte erwischt hat. 

Thematisch geht es recht ernst zu. Man singt über unsichtbare Gefängnisse, darüber, dass man am liebsten Brennen würde, es geht um den Selbsthass, dass man nicht der sein darf, der man ist und dass man hier und da Notlügen einschleust, was mitunter die menschliche Natur ist. Das sind mitunter die Themen, die einen umtreiben, wenn man erwachsen wird und auf seine Eltern oder Großeltern sieht, was die alles in ihren jungen Jahren erreicht haben. Man nimmt dem Sänger diese schweren Gedanken ab, man hört den Schmerzen, die Fragen und die Zweifel. 

Wie bereits erwähnt, setzen die jungen Männer aus dem Studium in ihrer Musik um. Es gibt nichts, was zu viel ist, nichts, was absichtlich streckt oder irgendwo künstlich eingestreut wird nur um ein paar Minuten mehr Musik auf den Langspieler zu bringen. Experimente, wie absichtlich falsch gestimmte Gitarren auf A Prisoner Unseen, glücken erstaunlicher Weise und passen direkt ins Soundgewand.

Release: 21.08.2020
Label: Long Branch Records / SPV

Anspieltipps: Happy, [I Wish I Was] On Fire, Window

6/6 Punkten (In diesem Alter sind die schon so gut!)

Kid Dad - In A Box
(Quelle: Bandcamp.com)

Donnerstag, 6. August 2020

100 Kilo Herz - Stadt Land Flucht (Bakraufarfita Records/Uncle M)

Was läuft wie eine Ente, klingt wie eine Ente und quakt wie eine Ente? Genau, keine Ente. Der Anfang dieses Reviews mag vielleicht komisch wirken, stimmt hier aber irgendwie voll und ganz. Spielt man ein paar Takte von Stadt Land Flucht der Band 100 Kilo Herz aus Leipzig, meint man im ersten Moment eine neue Platte von Feine Sahne Fischfilet in der Hand zu halten. Aber so man die Hülle des Langspielers auch wendet, es bleibt eine Platte der Leipziger Punkkapelle. 

Das kann vielleicht damit zusammenhängen, dass die Zutaten identisch sind. Trompeten, Gitarren, die nicht übermäßig verzerrt sind, ein Trommler, der verschiedene Rhythmen beherrscht und ein Gesang, der sehr gerne schräg ist. Das passt aber zum rotzigen Stil, man kann hören, wie die Stimmbäder des Barden hier und da und fast überall ordentlich kratzen. Natürlich würden nun einige Kritiker schreien, dass man das schon hatte, eben mit Feine Sahne. Aber Texte über den unrühmlichen Umgang mit Rechtsradikalen und deren Umtrieben auf dem Land kann es nicht genug geben. Aber das ist nicht ihr einziges Thema. Es geht auch um den Umgang mit der Volksdroge Alkohol, hier nehme man sich nur "Tresenfrist" oder auch "... und aus den Boxen... But Alive..." zur Brust und höre zu! Der Sänger selbst sagt, dass genau dieses Thema, der übermäßige Alkoholkonsum, viel zu selten in der  Szene angesprochen wird. Und dann gebe sich jeder diesen Titel (Vorsicht: Ohrenkrebsgefahr) und wie man im Schlager (das ist doch Schlager?) damit umgeht. Bevor wir jedoch zu weit abschweifen, bleiben wir bei 100 Kilo Herz und lassen uns da vergraben, wo man noch nie war. Der letzte Wunsch ist der wichtigste und sollte Beachtung finden. 

Über die Produktion lässt sich nicht meckern, aufgenommen wurde im Tonstudio 45 und gemixt im Feinklang Studio. Da steckt jede Menge Erfahrung drin, die die Energie in die richtige Richtung lenkt, es wirkt teilweise klanglich sehr modern. Was dem ganzen jedoch gut getan hätte, wären mehr Gastsänger oder generell mehr Stimmen. Der Gesang kann nach dem dritten oder vierten Durchlauf etwas monoton wirken. Wenn man aber Feine Sahne kennt, hat man natürlich eine Messlatte. Nach knapp 40 Minuten ist jedoch Schluss und man kann sich auf den Weg machen und die Texte einzeln sezieren, versuchen die Welt durch die Augen der Jungs zu sehen. Die Deutschlehrer der Nation hätten mal zur Abwechslung was neues zu interpretieren und den Schülern würde gezeigt werden, was hier gerade passiert. 

Release: 07.08.2020
Label: Bakraufarfita Records

Anspieltipps: Tresenfrist, Drei vor Fünf vor Zwölf, Sowas wie ein Testament

5/6 Punkten (Nach nem Konzert von 100 Kilo Herz und Feine Sahne Fischfilet stünde kein Stein mehr auf dem anderen)

100 Kilo Herz - Stadt Land Flucht
(Quelle: Presskit von Uncle M)