Freitag, 27. März 2020

Kudu Blue - Healthy EP (Nettwerk Music Group)

Es ist schade, dass 2-Step und UK-Garage keinen regulären Platz mehr in der Radiolandschaft hat, so wie früher im "Blackboard Jungle" auf Radio Fritz. Die Band Kudu Blue aus Brighton hätte hier sicher einen Platz gefunden. Denn diese Band kreiert mit Hilfe von eben UK-Garage, 2-Step und anderen elektrischen Einflüssen aus Großbritannien moderne, elektrische Popmusik, weitab des eintönigen Einheitsbreis der lokalen Radiolandschaft.

Man kann förmlich hören, dass dieses Album eher für die Nacht gedacht ist oder für den Morgen nach einer durchgefeierten Nacht. Vielleicht wurde es auch zu diesen Zeiten aufgenommen. Dass das bestens funktioniert und für Erfolge sorgen kann, bewiesen einst The XX mit ihrem ersten Album. Auf "Healthy" wird man zuerst entspannt an die Hand genommen und auf eine Couch entführt. Zu Beginn (Are You With Me) kommen Drums und begrüßen den Zuhörer begleitet von der Stimme der Sängerin, die mit etwas Hall unterfüttert ist. Als wenn sie alleine in die Dunkelheit singt. Irgendwann setzt der Wobbelbass ein und deckt einen zu. Und dann wird es zappelig. Es gibt ja auch UK-G hier, man will von dem Sofa aufstehen, auf das man gesetzt wurde und mit der Band mittanzen, allein. Dieser Wechsel, von ruhigen zu den zappeligen Momenten, zieht sich durch die ganze EP. Das Quartett schafft es einen somit stets bei Laune zu halten. Man will immer weiter hören und eigentlich gar nicht mehr aus diesem angenehm erschaffenen Umfeld entfleuchen. Aber dann ist sie vorbei, die EP. Das Knacken von alten Schallplatten ist zu vernehmen und verabschiedet einen. Und weil man eben dieses ruhige Spannungsfeld genossen hat, lässt man "Health" eben wieder laufen, dabei ist nach etwas mehr als 22 Minuten schon wieder Schluss.

Für Menschen, die sich nie mit der Materie um UK-Garage und 2-Step beschäftigt haben, kann das hier ein Einstieg in diese Welt sein. Die Mixtur ist einfach zu packend und man sieht sich vielleicht auch selbst dabei, wie man entweder lernt, ein Buch ließt oder halt eben auf der Tanzfläche im zappelnden Licht abgeht. So vielfältig ist diese kurze Scheibe. Die Produktion ist astrein und passend für das Genre-Konglomerat. Leider, wie bereits erwähnt, misst die Platte etwas mehr als 22 Minuten, was echt kurz ist. Aber eine EP ist eine EP ist eine EP. Wer weiß, was die Band auf einer Albumlänge alles an den Tag legen kann. Gegönnt sei es ihnen.

Release: 03.04.2020
Label: Nettwerk Music Group

Anspieltipps: Are You With Me, When The Night Is Over, Room For Love

5/6 Punkten (Und ich entfleuche entspannt in die Nacht.)

Kudu Blue - Healthy EP
(Quelle: Presskit von Nettwerk Music Group)

Donnerstag, 26. März 2020

Bloggeburtstag Nummer 8

In was für komischen Zeiten wir gerade leben. Wir haben alle Angst vor einem Virus, Plattenveröffentlichungen werden verschoben, genauso wie Konzerte und Festivals. Kleine Clubs bekommen finanzielle Probleme, Bands veranstalten ihre Konzerte teilweise im Internet. Oder sollte ich schreiben, Neuland? Gerade jetzt zeigt sich auch, dass nicht nur Digitalisierung in Deutschland weit hinter den Erwartungen ist, aber auch die Wirtschaft scheint auf solche Szenarien nicht vorbereitet zu sein. Das merkt man vor allem daran, dass jetzt alle, auch international, nach finanziellen Hilfen schreien. Vom Gesundheitswesen ganz zu schweigen, aber da gebe ich keinem Krankenhaus, Pfleger oder Leiter die Schuld. Es ist scheinbar alles auf Kante genäht und sobald etwas schlimmes passiert, hat man keine Rücklagen dafür. Aber was meckere ich hier.

Vor etwas mehr als acht Jahren fing ich an, über Musik zu schreiben. Zuerst ging es kostenlos zu, schnell war ein Fanzine am Start und heute schreibe ich über Alben, die auf ganz großen Labels laufen, siehe Underneath von Code Orange auf Roadrunner Records oder The Truth Of Sacrifice von Heaven Shall Burn auf Century Media. Das sind natürlich Glücksfälle für mich, was aber nicht bedeutet, dass ich die kleinen Releases nicht mehr feiere. Nachwie vor gibt es hier fast alles zwischen derbsten Metal und ruhigem Folk, siehe das aktuelle Album Folkesange von Myrkur. Dabei komme ich nicht immer dazu, mich ausreichend jedem guten Album zuzuwenden, was mir im Herzen schmerzt, sich aber aktuell nicht ändern wird. Ich wurde auch schon gefragt, warum ich nicht Reviews über die Alben der "ganz großen Stars" schreibe, ihr wisst schon, das was man jeden Tag im Radio empfangen kann. Ich würde ja damit mehr Klicks generieren und dann vielleicht auch damit irgendwann Geld verdienen können.

Mein Blog ist in der Musiklandschaft nur einer von vielen. Wer weiß, wann ich hätte damit am Start sein müssen, um damit meine glutenfreien Brötchen kaufen zu können? Dann mag ich die aktuelle Radiomusik nach wie vor nicht, obwohl mir 87.9 StarFM auf der Rückfahrt von Rovaniemi nach Cottbus durchaus gefallen hat, auch wenn wir den Sender nur in und südlich von Berlin (bis etwa Lübben) empfangen konnten. Auf Arbeit, wenn ich mal die Musik bestimmen darf, läuft der Sender auch und es gibt keine oder kaum Beschwerden, weil es ja Lärm und keine Musik sei. Daheim kann ich den Sender leider nicht übers Kabelnetz hören, sondern nur übers Internet, weil der Kabelanbieter, warum auch immer, SunshineLIVE auf die Frequenz gelegt hat. Ich habe fast im Strahl gebrochen, da die Musik hier, zumindest im Kabel, der selbe, mit Verlaub geschrieben, Rotz ist, wie der Rest im UKW. Vielleicht muss ich einen eigenen Rock/Metal/Folk/Indie-Pop-Sender aufmachen, damit man wirklich Vielfalt schafft.

Wir ihr oben lesen konntet, war ich in Skandinavien und das nicht nur einmal. Im Sommer waren meine Freundin und ich in ihrem Kombi zwei Wochen unterwegs und haben es bis auf die Lofoten geschafft. Im Herbst waren wir dann, der Polarlichter wegen, in Rovaniemi, aber auch wegen des Weihnachtsmannes und der Rentiere und Huskies. Und bevor ihr fragt: ja, man kann auch im skandinavischen Spätherbst im Auto übernachten und überlebt dies ohne Erkältung. Finnland ist musikalisch interessant, da die Finnen mit Suomirock einen Musiksender der Rockmusik auf Suomi spielt. Es klingt auch schräg, wir haben diese Eigentümlichkeit aber genossen. Es sind auch wirklich interessante Titel dabei, wie Kotieollisuus' Tämän Taivaan alla, Apalanta's Lokin päällä lokki (die klingen hart nach Linkin Park) oder Sara's Yhtenä Iltana.

Ich bin auch weiterhin im Ensemble von Rabota Karoshi und kann dort meinem inneren Unsinn freien Lauf lassen. Hier organisiere ich ab und an die Proben und habe bereits einen Pressetext verfassen dürfen, auch wenn dieser jetzt hinfällig ist, da die Show im April stattfinden sollte.

Zukünftig wird es hier weiterhin in ungleichmäßigen Zeitabständen Einträge geben, ihr wisst ja: Arbeit, Verpflichtungen und andere Hobbies, wie der andere Blog, laufen auch weiter. Ich werde auch weiterhin nach kostenloser Musik suchen, ich werde aber auch versuchen, an die ganz großen Alben zu kommen, vor Release. Aber nicht so, wie manche denken werden, ich rede von den Deftones und Co.. Manchmal hat man ja Glück.

Natürlich gehört der Dank immer noch denjenigen, die mir weiterhin Alben schicken, darunter Fleet Union, Kinda Agency, Add On Music, Gunner Records, Check Your Head und All Noir. Ich freue mich über jede Mail, über jede Einladung zu einem Interview oder Konzert, auch wenn das dann mal ein Donnerstag oder gar Freitag ist. Also, auf in ein neues Blogjahr voller neuer und alter Gesichter, ob nun neben oder mitten im Strom.

Wenn um Mitternacht die Sonne am Atlantik nicht untergeht.
(Quelle: Eigenes Bildmaterial)

Dienstag, 24. März 2020

My Ugly Clementine - Vitamin C (Ink Music/Add On Music)

Man bekommt gar nicht so viel musikalisches von seinen Nachbarn aus Österreich mit. My Ugly Clementine wird dort als Supergroup bezeichnet, auch wenn es die Gruppe, bestehend aus vier Frauen, erst seit 2019 gibt. Ihr erstes Konzert soll wohl innerhalb von  einem Tag ausverkauft gewesen sein, ohne das jemand überhaupt einen Titel der Band gehört hatte. Das mag daran liegen, dass die Frauen aus verschiedensten Bands, die man in Österreich dank FM4 kennt, zusammengekommen sind.

Ihr erster Langspieler hört auf den Namen Vitamin C, passend für Klementinen. Ihr Album könnte man im Regal bei den Indie.Platten finden, vielleicht aber auch bei Rock. Der Sound ist auf Alt getrimmt, die Gitarren sind entweder clean oder verzerrt, wie bei den besten Desertrockern. Ein wenig Blues schwebt hier neben Funk aber auch mit. Vielleicht kennt das Quartett einen Weg, an die Musi auf auf CBC Radio 3 zu kommen, denn es klingt hier mitunter stark nach The Pack A.D., aber auch nach Mallrat. Es macht von Beginn an Spaß, sich mit dem Album zu beschäftigen, weil es leichtfüßig klingt. Es gibt auch ein paar Balladen, die stehen den Mädels auch, bremsen aber etwas auf der Platte. Man wartet förmlich auf den nächsten Tanzflächenfüller. Dabei geht es thematisch um Emanzipation, komplizierte Beziehungen oder es wird einem Mut zugesprochen. Der Zugang zum Vitamin C wird einem sehr leicht gemacht, gerade in diesen Zeiten sehr wichtig. Nach knapp 36 Minuten hat man seine Dosis erreicht und freut sich auf einen neuen Durchlauf, auch wenn man vielleicht nicht den Bremsern entgegenhimmelt.

Release: 20.03.2020
Label: Ink Music

Anspieltipps: My Dearest Friend, Never Be Yours, The Good The Bad The Ugly

5/6 Punkten (Schöner Lo-Fi kurz vor Frühlingsanfang.)

My Ugly Clementine - VItamin C
(Quelle: Presskit von Add On Music)

Montag, 23. März 2020

Heaven Shall Burn - Of Truth And Sacrifice (Century Media/Check Your Head)

Der normale Turnus einer Band ist, so will es das "Gesetz", dass sie alle zwei Jahre ein Album auf den Markt bringen und dazwischen ausgiebig touren. Die meisten Bands bekommen das auch hin, andere Leben sogar recht gut davon und haben ihre alten Jobs an den Haken gehängt. Die Männer von Heaven Shall Burn bekommen das auch hin, gehen aber noch ihren normalen Jobs nach. So ist der Markus (v) immer noch Krankenpfleger, Maik (g) ist Student und Christian (d) ist im Bereich der Pädagogik unterwegs. Dabei geht es ihnen weit weniger um das Geld, was man in den normalen Jobs bekommt, sondern viel mehr um die Erdung, um die Realität, die dann wiederum zur Inspiration dienen kann.

Dabei erwartet einem bei Of Truth And Sacrifice aber nicht einfach nur ein Album auf dem man mit Mühe und Not zwölf Titel aufgenommen hat. Das Ding ist ein Spielfilm, also 90 Minuten (eigentlich sind es 97 Minuten) lang und auf zwei CDs verteilt. Die Qualität, die man bekommt, ist so, wie es der Produzent im Film Mein Grünes Herz In Dunklen Zeiten sagte: Wenn man es nicht professionell macht, dann ist jeder Titel, jedes Album, so wie man es will und hat viele Ambitionen. Und das bekommt man auf ganzer Länge auch hin: Qualität. Dabei gibt es hier nicht nur pures Core-Gedresche, man traut sich auch Streicher sowie Industrial-Elemente einfließen zu lassen. Manche Titel wirken dann vielleicht etwas komisch, wenn man einfach wild im Album herumskipt. Gibt man sich jedoch dem vollständigen Werk am Stück hin, merkt man, dass alles seinen Platz hat und da auch richtig gesetzt wurde. Aber die Parade bleibt halt immer noch der Core, das druckvolle Ballern auf Gitarren, Bass und Drums, dazu das Gekeife und Growlen. Für das Headbangen bleibt also genug Platz. Dabei hat man sich wohl bewusst gegen den EP- und Spotify-Wahn entschieden. Man wollte nicht auf Gedeih und Verderb in den aktuellsten Streamingplaylisten oben sein, was man den Mannen auch abkauft, wenn man sich näher mit ihnen beschäftigt hat. Wer Fan von Tag eins an ist, wird das Album sicher haben, wer Metal sucht, dem Core nicht abgeneigt ist und für Experimente offen ist, darf hier gern zugreifen. Wer mit dieser Musik nie etwas anfangen konnte, wird auch hier keinen Zugang finden, auch wenn die Mitglieder in ihrer Doku mehr als sympathisch rüberkamen.

Thematisch bewegt man sich mitunter im hier und jetzt. Da geht es um die "alternativen Wahrheiten und Fakten" und um die dadurch die entstandenen Filterblasen. Man arbeitet natürlich auch die deutsche Vergangenheit ab und was passierte, als der zweite Weltkrieg vorüber war.

Release: 20.03.2020
Label: Century Media

Anspieltipps:
CD 1: Eradicate, Protector, What War Means
CD 2: The Sorrows Of Victory, Tirpitz, Truther

6/6 Punkten (Chapaux vor so viel Schneid ein Doppelalbum nebenher zu stemmen.)

Heaven Shall Burn - Of Truth And Sacrifice
(Quelle: Presskit von Check Your Head)

Mittwoch, 18. März 2020

Myrkur - Folkesange (Relapse Records/Check Your Head)

Myrkur hatten wir hier mal. Wer Mareridt kennt, wird sicher gemerkt haben, dass es hier schon neben dem Black Metal einige ruhige Momente gab. Nun ist zwischen Mareridt und Folkesange einiges passiert. Die Frau gebar ein Kind und war viel auf Tour. Wer sich näher mit der Dame und ihrer Kunst befasst, hat festgestellt, dass sich gern mit der nordischen Mythologie beschäftigt und hin und wieder Videos hierzu geteilt hat. Mal stand sie im Wald und sang und/oder spielte daheim. Die Inspiration kam hierfür von ihrer Mutter, die ihr in ihrer Kindheit viele der skandinavischen Lieder vorsang.

Und auf Folkesange findet man genau das, Lieder und Sagen aus Skandinavien, teilweise über mehrere hundert oder gar tausend Jahre alt. Da geht es um Thor im Reich der Totengöttin Hel , um eine tragische Liebesgeschichte und um Gottes willen. Dabei kramt sie neben der Gitarre auch andere Instrumente, wie die Nyckelharpa oder eine Harfe aus, um eben auch dem Gesungenen gerecht zu werden. Es werden aber auch andere Gesangstechniken verwendet, unter anderem eine, die dazu diente, Kühe und Kälber zu rufen, die auf weiter Flur verstreut waren. Diese haben dann wohl auch geantwortet und konnten eingesammelt werden.

Dabei muss man wissen, dass sie wohl von einigen Leuten, die Härteres von Myrkur gewohnt waren, extremen Gegenwind bekam. Denen sei gesagt, dass sich das Album lohnt. In Zeiten, in denen alles immer schneller wird, jeder dem nächsten Hype schon voraus sein will und zwischen den verschiedenen Rollen hin und her hetzt, ist Folkesange der Gegenbegriff dazu. Es ist ruhig und besinnlich, man kann die Weite der skandinavischen Landschaften fast spüren und wird automatisch entspannt. Problematisch wird es dann nur, wenn man sich nicht auf das Album einlassen will und auf Gedeih und Verderb billigen Pop oder Lärm will.

Dabei überzeugt dieses Album auf ganzer Länge, man kann sich hier verlieren. Man freut sich, dass die Produktion äußerst gut gelungen ist. Trommelinstrumente kommen zum Einsatz und verleihen dem ganzen eine gewisse Tiefe und Punch. Man freut sich über jeden einzelnen Schlag auf den Trommelfellen. Mit knapp 50 Minuten Spielzeit ist das Album angenehm lang und lädt zum erneuten Hören ein. Und der letzte Titel "Vinter" klingt, als wenn er bei Netflix auf irgendeinem Outro oder bei einem Schweighöfer-Film im Hintergrund laufen könnte. So kann jemand, der eigentlich aus dem Black Metal kommt, in der Popkultur Fuß fassen.

Release: 20.03.2020
Label: Relapse Records

Anspieltipps: Vinter, Gudernes Vilje, Ramund

6/6 Punkten (Der Ruhepol in solch stürmischen Zeiten.)

Myrkur - Folkesange
(Quelle: Presskit von Check Your Head)

Mittwoch, 11. März 2020

Code Orange - Underneath (Roadrunner Records/Warner Music)

Code Orange, früher Code Orange Kids, hatten wir hier schon mal. Damals war das für mich eine der härtesten Alben, die ich rezensiert hatte. Es war brutal, aufkratzend und es gab sehr viel wilde Energie. Als ich erfuhr, dass es wieder ein neues Album geben würde, eben Underneath, habe ich mein Glück versucht und Velvet Hammer angeschrieben. Geraume Zeit später glaubte ich meinen Augen nicht, als eine Mail von Warner Music in meinem digitalen Briefkasten landete. In dieser wurde mir bestätigt, dass ich Zugriff vor dem Release bekäme. So viel zu den kleinen Einblicken hier im Blog.

--

Das Intro des Albums zeigt genau, wo es hingehen wird. Es geht tief in den Kaninchenbau, sehr tief. Und hier warten nicht nur brachiale Gitarrenwände auf den Zuhörer, sondern auch mächtig fiese elektronische Spielereien und ein Gesang, der alles zwischen schwerem Keifen und Klarheit beherrscht. Man hat über die Jahre aber auch gelernt, dass ruhigere Töne überaus unheimlich und bedrückend wirken können und Kinderstimmen sowieso. Wie Jami Morgan vor ein paar Jahren in einem Interview mit Loudwire sagte: die Musik, die die Band macht, soll Schmerzen verursachen. Das Album schmerzt an vielen Stellen. Man merkt, das alles ständig vor dem oder am Ausrasten ist, man will den Musikern in diesem Moment, während das Album läuft, nicht im Dunkeln begegnen.

Hier trifft klassischer Hardcore, Metal und elektronisches Zeug aufeinander, man erzeugt so einen signature Sound. Egal wo man im Album ist, man weiß, dass man Code Orange auf den Ohren hat und jeder einzelne Ton einen tiefer in das dunkle Loch zieht. Diese Entwicklung, welche die Band über die Jahre hinweg durchgemacht hat, passt ihnen wie maßgeschneidert. Andere Gruppierungen versuchten bereits Ähnliches und verkauften sich damit oder scheiterten kläglich. Bei Underneath zeigt sich, wie man es schaffen kann, dass Samples und Keyboards den eigenen Sound noch unerbittlicher erscheinen lassen können.

Thematisch wird man mit den wildesten Ängsten konfrontiert. Man bekommt gesagt, dass man eigentlich gar nichts von dem Gegenüber wissen möchte, sondern Dank der sozialen Medien, eher am projizierten Abbild desjenigen interessiert ist. Ob die Person vielleicht ein paar Probleme hat, die in den sozialen Medien nicht auftauchen, will man erst gar nicht wissen.

Dass das eigene Umfeld nicht gut ist, wird genauso thematisiert wie die ewige Frage nach der eigenen Existenz. Dass sich die Band hier viele Gedanken macht, wie man das darstellt, zeigt sich in den aufwendig produzierten Videos, welche sich perfekt für das Musikfernsehen eignen würden, auch wenn diese Bilder vielleicht erst spät abends gezeigt werden dürften. Die Videos sind teilweise recht blutig, passen aber zur Musik. Und selbst die extra erstellte Internetseite zum Album ist ein geniales Gimmick und rundet das Paket ab.

Nach dreizehn Titeln und einem Intro ist man durch den ganzen Kaninchenbau geschlichen um ja nicht irgendwelche Aufmerksamkeit zu erregen, wie in Horrorfilmen oder Thrillern eben. Die Reise lohnt sich aber immer wieder, da man stetig neue Facetten entdeckt oder einfach nur die brachiale Gewalt spüren möchte. Leute, denen das gewöhnliche Radio gefällt, werden sich hier nicht wohlfühlen, für die ist Underneath aber auch nicht gemacht. Es ist für Menschen, die Metal, Hardcore und andere härtere Gangarten verstehen und sich ebenso über Experimente freuen wie über einen Schlag ins Gesicht, metaphorisch gesehen.

Release: 13.03.2020
Label: Roadrunner Records

Anspieltipps (eigentlich jeder einzelne Titel): Swallowing The Rabbit Whole, In Fear, Autumn And Carbine

ganz klar 6/6 Punkten (Das Machbare ausreizen und trotzdem Kunst erschaffen.)

Code Orange . Underneath
(Quelle: Artistpage von Roardrunner Records)