Sonntag, 27. November 2016

Bandcamptage Vol. 154

Vor ein paar Tagen hatte ich auf Noisy etwas über die russische Witch-House-Szene gelesen. Da mir diese Begriff durch Künstler wie Purity Ring (hier im Blog) und Grimes (hier im Blog) geläufig war, nahm ich mich diesem Artikel an und fand gefallen. Was mich bereits bei Purtiy Ring faszinierte, waren die verstörenden Texte, die von der Sängerin sehr zart wiedergegeben werden. Somit begab ich mich bei Bandcamp auf die Suche, um vielleicht eben genau das zu finden, was Witch-House so eigenwillig macht.

In den späten 2000ern in den USA entstanden, findet man im Witch-House Elemente aus Hip-Hop, Trap, Synthpop und Industrial wieder. Man könnte also meinen, dass man hier viele verschiedene Gesichter auf Witch-House-Partys sähe. Über Violet7rip, was man wohl auch als Violettrip lesen könnte, aus Russland, erfährt man eigentlich nicht zu viel. Er hat einen Account auf Facebook, VK, Soundcloud und Bandcamp. Hatte ich erwähnt, dass er aus Russland ist? Aus seinem aktuellsten Werk The Purple Heart tropft es aus allen Ecken und Kanten, dieses Witch-House. Fast überall gibt es Sägezahn-Waveforms, der Bass drückt an einigen Stellen gut voran und macht einen fast wirr im Kopf. Das Kopfnicken kommt automatisch und man wandert gedanklich durch die Landschaft, die aus Bässen und Synthies aufgebaut werden. Was besonders putzig ist, dass hier ein Titel verwurstet wird, den ich getrost als einen meiner Lieblingssongs aufzählen könnte. Be Quiet and Drive (far Away) in der Akustikversion, welches die Deftones zusammen mit Incubus aufgenommen haben. Beim Titel Still Want You, eben wegen der Deftones, musste ich an Mr. Bill denken, den hatten wir hier im Blog. Dieser Künstler hat sich ja auch eines Werkes der Tones bedient. Wie bei den Bandcamptagen üblich, ist dieses Album für einen Preis zu haben, der euch passt, auch ohne einen Cent ausgeben zu müssen. Eure E-Mail wird nur erfragt, damit ihr den Link zum Download bekommt.

Anspieltipps: Unholy, Purple Mind, Make Me Wanna Die

Violet7rip - Purple Heart
(Quelle: Bandcamp.com)

Und dann gibt es Tage, an denen mir eher nach sowas ist.

Sonntag, 20. November 2016

9th Backstage Broadcast: Totorro - Come To Mexico

Bei dieser Band handelt es sich um vier junge Männer aus Rennes, der Ort an dem die Ille in die Vilaine mündet. Mit ihrem Album Come To Mexico zeigen die Franzosen, dass es für kraftvolle Musik nicht immer negative Energie braucht, auch wenn die Franzosen mit dem Titel eher nach Mexico als nach Frankreich einladen.

Man wird mit "Brocolissimo" relativ sanft und verspielt in das dreizehn Titel (auf Bandcamp sind es elf, Anm. d. Red.) lange Album sanft eingeladen, man bekommt ein wenig die Mitglieder vorgestellt, rein akustisch, versteht sich, und darf ihrem Können lauschen. Mit "Yaaaago" beginnt dann ein Ritt, der einem von hinten anschiebt und schreit: "Mach was! Beweg dich!" Dabei ist man unentschlossen ob man denn nun tanzen soll oder vielleicht doch headbangen. Diese schwerwiegenden Entscheidungen immer wieder. Dabei sind die Gitarren gar nicht am Anschlag, übersteuern kaum. An sich ist auch alles recht lieblich hier. Und dann gibt es immer wieder ein paar Momente, wo der Zuhörer denken könnte, dass der Titel, der einem gerade um den Kopf schwirrt, zu ende ist. Dann kommt das Quartett um die Ecke, erschrickt einen fast und schreit: "Verarscht." Dabei bedient man sich dem Math-Rock wie auch einiger Post-Geschichten, um da daraus eine sehr kraftvolle und dennoch fragile Mischung zu erschaffen, da die Gitarren, wie bereits erwähnt, nicht völlig am Anschlag hängen. Man erkennt feines ein Gespiel, die Trommel treibt an und die Laune wird deutlich besser. Und dann liegt er da, der Klangteppich, der einen davonfliegen lässt. Nur der Gesang, der könnte vielleicht hier und da mal präsent sein. Bis auf ein paar Textzeilen bleiben die Lippen hier fest versiegelt. Schade eigentlich, obwohl man dann vielleicht Gefahr liefe, das Gegenteil von guter Laune zu erreichen. Nun denn, das Album erscheint am 25.11. auf Big Scary Monsters/Al!ve. Und wer sich nicht sicher sein sollte, ob er mit den Franzosen ein Tänzchen wagen sollte, kann sich auf Bandcamp das Album geben, in voller Länge.

Anspieltipps: Yaaaago, Beverly Pills, Tomate Polisson

5/6 Punkten (So viel gute Laune im November, ist doch nicht normal)

Totorro - Come To Mexico
(Quelle: Bandcamp.com)

Donnerstag, 17. November 2016

Youtubisch Vol. 28

43°48′N 131°58′E, gibt man diese Koordinaten in eine favorisierte Suchmaschine ein, wird man an einen Ort geführt, der ziemlich weit im Osten Russlands liegt. Der Weg nach Japan ist nicht weit, Wladiwostok um die Ecke. Von genau diesem Ort kommt die Künstlerin Ekat Bork.

Durch viele mehr oder minder gute Umstände landete sie in der Schweiz, wo sie begann Gesang, zeitgenössisches Schreiben und Musikproduktion zu studieren. Sie knüpfte Kontakte in der Schweiz und Italien. Sie schrieb und produzierte selbst viel Musik, woraus sich dann Veramellious entwickelte.

Nun erschien am 04.11. ihr neuestes Album, YASДYES, welches ihr auf Bandcamp streamen könnt. Der Sound ist düster, erinnert stellenweise an LORN, den wir hier schon mal hatten; es knistert und blubbert an allen Ecken und Kanten. Wer eine E-Gitarre findet, darf diese behalten, dabei wird das Album nicht langweilig und schafft eine herrlich schaurige Stimmung.

Bei FEAR handelt es sich um die dritte Single aus YASДYES, das Video hierzu hat sie quasi in Eigenproduktion erstellt, geschnitten und was alles sonst noch dazu gehört. Die Bildsprache ist gewaltig, ihr Kostüm extravagant. Und noch nie im Leben hab ich bei einer Olive, die verspeist wird, an ein Auge eines Lebewesens gedacht. Arme hoch, wem es auch so geht. Aber seht selbst.

Ekat Bork - FEAR (Musikvideo)
(Quelle: Youtube.com)

So viel gute Musik zum Hören und nur zwei Ohren zur Verfügung.

Konzertbericht: Rise Of The Northstar (15.11.2016 im Gladhouse)

Es regnet, das Thermometer zeigt kaum mehr als 4°C an, eine kleine Gruppe hat sich bereits vor dem Gladhouse versammelt. Punkt 19:00 wurden die Türen geöffnet, dennoch sind kaum mehr als 20 Leute da. Die Stimmung ist fröhlich, da die Stadt klein ist, sind die Gesichter, die man auf "solchen Veranstaltungen" sieht eigentlich immer die selben. Als sich dann um ca. 20:30 ca. 120 Menschen im Hauptsaal versammelt haben, werden die Vorhänge geöffnet und es zeigt sich ein recht aufwändiges Bühnenbild mit Fässern, aus denen angedeutet Flammen wabern (Feuer ist geschlossenen Räumen eh nicht so prall). Überall sind Kanji zu bestaunen. Die Band Rise Of The Northstar betritt in aufwändigen Kostümen die Bretter und legt fulminant los. Der Stil erinnert an den Hardcore aus den 90ern, der in New York aus dem Boden gekrochen ist. Die Menge, zumindest ein Teil davon, tobt. Arme, Beine und die dazugehörigen Leiber fliegen einmal quer übers Parkett. Wer am Boden liegt, wird umgehend aufgelesen, bis auf ein paar Kratzer sind keine weiteren Schäden zu beklagen. Die Fans sind textsicher und dürfen dies am Mikro mehrfach unter Beweis stellen. Besucher, die diese Band noch nicht kennen, werden dennoch herzlich willkommen geheißen, weil man so das gesamte Spektrum der Szene abbilde.

 Der Tonmeister hat ganze Arbeit geleistet, es klingt so, als hätte man die CD direkt auf die Boxen gelegt, das will live schon was heißen. Nach einem kleinen Break vor dem letzten Drittel geht es weiter, die Garderobe musste wohl kurz gewechselt werden, die Meute im Pit ist schon etwas aus der Puste, aber glücklich.

Rise Of The Northstar @Gladhouse
(Quelle: selbst geschossen)

Um 22:00 wird dann das Outro eingeleitet, man darf sich zu den Klängen des Soundtracks von Ghost In The Shell noch ein paar Fistbumps abholen und am Merchstand ein paar Fotos mit den Mitgliedern schießen und natürlich werden hier und da ein paar LPs, CDs und Arme signiert. Alles in allem ist hier ein großartiger Abend gelungen, auch ohne Vorband.

Wer die Jungs verpasst hat, kann sie sich noch in anderen Städten geben.

16.11. - Stone im Ratinger Hof, Düsseldorf (D)
18.11. - NAUMANNS/FELSENKELLER, Leipzig (D)
19.11. - L.A. Cham, Cham (D)
20.11. - Arena, Wien (AT)
26.11. - Nyon's On Fire Festival, Nyon (CH)
27.11. - LE JAS ROD, Les Pennes Mirabeau (FR)
28.11. - Le Saint des Seins, Toulouse (FR)
29.11. - Le Ferrailleur, Nantes (FR)
30.11. - Ô TOTEM, Rillieux La Pape (FR)
01.12. - LA LAITERIE, Strasbourg (FR)
02.12. - L'Autre Canal, Nancy (FR)
03.12. - Le Brise Glace, Annecy (FR)
04.12. - Le Trabendo, Paris (FR)
16.12. - C.C.J. Moulin, Limoges (FR)
18.12. - Knockdown Festival, Karlsruhe (D)

Freitag, 11. November 2016

Der 1. Starkult: Andrew Paley - Sirens

Ist das Jahr wirklich schon so weit vorangeschritten, dass man darüber sinnieren kann? Kann man denn jetzt schon, also Mitte November, ein Album auf den Markt bringen, um über die Tage des noch nicht ganz vergangenen Jahres 2016 nachzudenken? Wenn ihr der gleichen Meinung seid, wie Andrew Paley, den wir hier schon mal hatten, dann ist sein neues Album "Sirens" genau das Richtige.

Schon bereits zu den ersten Klängen will man an seinen Rechner oder sein Smartphone, um dort die Fotoordner zu durchstöbern. Man feiert einiges, lacht vielleicht auch über ein paar Schnappschüsse oder denkt sich: "Du Vollidiot." Natürlich überlegt man auch nach, was wäre wenn... ihr wisst schon. Zusammen mit dem Album könnt ihr den perfekten Flashback erleben, denn er sitzt mit seiner Gitarre, Klavier und anderen Instrumenten neben dir.  Dein Wohnzimmer oder wo auch immer du dir das alles anguckst und hörst, bekommt eine Menge Hall und Größe verliehen. Das Gefühl, den JD aus Scrubs machen zu müssen, das begleitet einen hier jede einzelne Sekunde des 42 Minuten langen Albums. Vollwertig ist es, auch wenn einen ein paar Bekannte aus der EP Songs For Dorian Gray vorbeikommen, wie der Father John oder die liebe Ellie. Man mag es ihm verzeihen, die Titel Ordnen sich hier ganz geschmeidig ein. Hier auch wieder eine Form des Flashbacks, auch wenn die Erinnerungen an den November 2014 etwas sehr arg verflossen sein könnten, also wieder an die Fotoordner. Auffällig ist, dass der Titelname "Sirens" ganz im Kontrast zum Klang des Langspielers steht. Sind Sirenen laut, so gibt es auf der Platte fast nur Akustikgitarren, Klaviere und Streicher, der Gesang ist sehr gefasst, nicht ausrastend, mit "Let Me Go" gibt es mit Synthies einen Ausflug in die 80er des letzten Jahrtausends. Trotzdem man hier mehrere Produktionsstandorte hatte und die Aufnahmen aus unterschiedlichen Zeiten zusammengetragen sind, ergibt sich ein homogenes Hörerlebnis, allein an den alten Bekannten aus der EP erkennt man, wo man sich im Album befindet.  Veröffentlicht wird "Sirens" am 18.11. auf Made My Day Records und Paper and Plastick Records.

Anspieltipps: Ellie Dreams Of Flight, Go To The Wolves, Take Cover

6/6 Punkten (Nicht so lange nach oben rechts gucken.)

Andrew Paley - Sirens
(Quelle: Presskit von Flix Records)

Mittwoch, 2. November 2016

Pias 4: Junk Son - Beginning, Ending, Pretending

Kann es sein, dass die Menschen des britischen Königreichs, zumindest zum Großteil, ein unglaublich gutes Gespür für elektronische Musik haben, auch im Bereich Ambient und Trip-Hop? Man höre sich aktuell Massive AttackPortishead oder  The XX an! Junk Son, der bürgerlich John Dunk hießt, kann man hier ebenfalls getrost einordnen.

Auf seinem Album "Beginning, Ending, Pretending", welches am 04.11. auf 37 Adventures veröffentlicht wird, finden sich vielerlei Elemente zusammen, die man in den letzten Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten in der Szene rund um die elektronische Musik neu aufgetan und weiterentwickelt hat. Vermischt wird dies mit einer Menge Soul und Atmosphäre. Auf den elf Titeln wandert man gedanklich zwischen Nachtschichten am heimischen PC, Sonnenaufgängen auf Ibiza und Träumereien auf der heimischen Couch. Auch wenn diese Mischung sich krude lesen lässt, so umreißt man hier dennoch grob genau das, was man auf dem selbstproduzierten Album findet. Man erinnert sich hier an Portishead, die die schlurfend dunkle Ecke des Ambient noch weiter erforscht und verstanden haben; man sinniert, wie es doch war, zu den Hochzeiten von Café Del Mar, Titel wie "What I Want" könnte man hier sicher ohne große Probleme unterbringen. Ob das aber Künstler selbst möchte, bleibt ihm überlassen. Gelungen ist ihm dieses Werk allemal, wie bereits erwähnt, hat er das gute Stück alleine in seinem Londoner Studio aufgenommen und sogar produziert. Sicher werden hier nun viele Leute Schnappatmung bekommen, denn elektronische Musik sei ja so einfach zu produzieren und zu erzeugen. Eben nicht, denn wer sich mal umhört, auf Bandcamp, Jamendo oder Soundcloud, der wird leider auch hier feststellen müssen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Tracks zu schaffen, die einen bei der Stange halten, die nicht zu langatmig oder gar langweilig sind, das ist schon eine große Kunst, vor allem im Alleingang.

Anspieltipps: True, Picture, Over

5/6 Punkten (Wo wären wir wohl alle ohne unsere Computer?)

Junk Soun - Beginning, Ending, Pretending
(Quelle: Promomail von Pias.com)