Montag, 30. November 2020

Leto - Wider (Rookie Records)

Wäre die Band Leto ein Studienfach, hätte man im Hauptfach Turbostaat, dazu als Wahlpflicht Billy Talent, Feine Sahne Fischfilet, Fjørt und Leitkegel. Wer hier denkt, dass das dann alles Punk ist, liegt nicht ganz falsch. Die Gitarren werden hier weitaus virtuoser gespielt, der Bass hat mehr Platz im Raum und das was, dann noch übrig ist, wird von einem ordentlich hämmernden Schlagzeug aufgefüllt. Das sorgt bereits auf den ersten Metern für zuckende Tanzbeine und nickende Köpfe. 

Dabei ist geht es hier um viel mehr. Auf diesem Langspieler werden die inneren Dämonen ausgegraben, man kämpft mit den Selbstzweifeln und der Selbstoptimierung. Dennoch könnte man einige Texte anders interpretieren. Zum Beispiel der Titel Blau: diese Farbe hat auch die AFD, und die Textzeilen passen ebenso auf die Mitglieder und Wähler der AFD. Da geht es um Sitzenbleiber, um Leute die sich das Alte zurückwünschen. Aber der Band geht es um die Geschlechterrollen, die direkt zu Begin festgelegt sind, inklusive der Berufe, die man lernt und den Eigenschaften, die man dem Geschlecht anrechnet. Der Text zu Treibsand könnte auch von der modernen Konsumgesellschaft handeln. Alles ist so gebaut, dass es relativ schnell kaputt gehen kann und dass das neue dann eh besser sei, als das Objekt, welches mal eben ein paar Monate genutzt wurde. Dabei geht es hier um die Entwicklungen der Heimatstadt des Quartetts. 

Mit Kammerflimmern gibt es sogar einen Ohrwurm, der sich tief in die Hirnwindungen einklinkt und da für ein paar Tage (jetzt wirklich) verweilt. Der Anfang wirkt zwar noch, wie Hurz von Hape Kerkeling, die Aufklärung folgt dann aber im Refrain. Es fehlen Worte um das vollständige Bild zu zeigen. Es muss aber alles immer schneller gehen, damit man up to date ist um dann alles mit der nächsten Nachricht vergessen zu haben. 

Der geneigte Zuhörer wird mitbekommen haben, dass Wider wie aus einem Guss wirkt. Die Lieder wurden am Stück geschrieben. So bleibt der Drive über die gesamte Spiellänge von 31 Minuten erhalten. Eh man es sich versieht ist man entweder alle Titel durch oder der Player fängt schon wi(e)der von vorne an. Und dann schmettert man mit. 

Release: 09.10.2020
Label: Rookie Records

Anspieltipps: Kammerflimmern, Auen und Orchideen, Treibsand, Katzenwäsche

5.5/6 Punkten (Das wächst schwer aus den Hirnwindungen heraus.)

Leto - Wider
(Quelle: Presskit von Rookie Records)

Dienstag, 17. November 2020

Sólstafir - Endless Twilight of Codependent Love (Season Of Mist)

Die Männer von Sólstafir schaffen es immer wieder, dass ihre Musik so klingt, wie man sich Island vorstellt. Rau, kalt, verlassen und menschenleer, windig und unbarmherzig. Auf Endless Twilight Of Codependent Love setzt sich dieser Sound fort, den man seit Äonen beherrscht. Dabei bewandert man aber nicht nur alte, bereits ausgetretene Pfade, die man mitunter hier im Blog bereits gehört hat, sondern versucht sich im Black Metal oder eher Blackgaze. Selbst ein Teil der Deftones hat es auf Úlfur geschafft, es kann mir hier keiner erzählen, dass er da nicht die Gitarren von Change (In The House Of Flies) hört. Aber es sei ihnen gegönnt, denn auch dieser Sound steht ihnen irgendwie. 

Was etwas irritiert, ist das Intro von Drýsill. Man betreibt Tapping, aber irgendwie scheint die Gitarre nicht ganz sauber gestimmt zu sein oder es klingt einfach nur wegen der Spielweise so. Zum Glück dauert es nicht lang, bis man eine Orgel in den Raum stellt. Das Album klingt generell etwas rauer, man bettet nicht mehr alles riesige Soundwände ein, wie auf dem Vorgänger Berdreyminn. Die Produktion tut ihr übriges, so dass man wirklich denkt, dass einem der starke Wind Islands ständig und unentwegt ins Gesicht bläst. Überlange Titel konnte man schon immer, so gibt es auch hier Songs die gut und gerne mal um die 7 oder gar 8 Minuten lang sind. Es wirkt aber nichts unnötig in die Länge gezogen, jede Minute bleibt spannend und kurzweilig. 

Thematisch ist dieses Album sehr dunkel, es geht um die eigenen Dämonen und die des Umfeldes. Es geht darum, wie Menschen sich langsam umbringen. Und es geht um psychische Krankheiten, die Menschen verändern, bis sie daran sterben, wie Alzheimer. Man ist dann wie im Film und wartet darauf, das bestimmte Dinge eintreffen. Man kann nichts machen, außer zuzusehen. 

Wer die Vorgänger der Band bereits hatte, der wird auch dieses Album haben/kaufen und feiern. Menschen, die Sólstafir bisher nicht kannten, können hier einen Einstieg finden. Die Sprache könnte vielleicht eine Hürde darstellen, aber es gibt weltweit Fans, die ihre Songs auf Isländisch mitschmettern. Man muss es eben nur wollen und sich auf Titel einlassen, die jenseits des 3:30-Schemas sind und ein Albumhörer sein.  

Release: 06.11.2020
Label: Season Of Mist

Anspieltipps: Úlfur, Alda Syndanna, Akkeri

6/6 Punkten (Man kann den kalten Wind auf der Haut schon spüren.)

Sólstafir - Endless Twilight of
Codependent Love
(Quelle: Presskit von Season Of Mist)

Sonntag, 1. November 2020

Bitch Falcon - Staring At Clocks (Small Pond Records/Fleet Union)

Bitch Falcon, die hatten wir hier mal, könnte man getrost als Band der Lagen bezeichnen, obwohl die Musiker_innen nur zu dritt sind. Das dubliner Trio gibt es bereits seit 2014, nur hat man es noch nicht geschafft, ein Album auf die Beine zu stellen. Es gab eine EP und ein paar Singles. Nun Starren wir zusammen mit den Künstlern, die allesamt einer normalen Tätigkeit nachgehen, auf Uhren. Staring At Clocks beginnt mit einem relativ verstörendem Geräusch. Wenn ihr Nachbarn habt, die ihr ärgern wollt, dann könnt ihr das Intro von "I'm Ready Now" nehmen. Dabei ist das Album alles andere, als eine lose Ansammlung von Geräuschen, das konnte man bei der Single Gaslight ausgiebig erkunden. 

Wir betreten eine 41 Minuten große Kathedrale. Das ist als Raummaß schon eigenartig, das Album ist nun mal nicht länger. Von allen Seiten wird der Klang reflektiert, von klaren, riesigen wänden, die kühl scheinen. Man wähnt die Band an jeder Ecke, der Bass ist stets präsent, die Gitarren geben mal pure Verzerrungen wieder, ein anderes Mal werden die Saiten klar angeschlagen und fast ungefiltert über die Verstärker wiedergegeben. Und trotzdem es um echt Teilweise finstere Thematiken wie Depressionen, niedriges Selbstbewusstsein und Ängste geht, sind die Songs mit Energie geladen. Es gibt schnelle Rhythmen, wie in Damp Breath; es wird auch mal entspannt mit verschlafenen Augen zu Klängen getanzt, die aus den 80ern sein könnten. Der Bass und die Gitarre stehen auch mal in einem Konflikt zueinander, als würden sie das eine nicht mit dem anderen in Übereinstimmung bringen können. Die Band bezeichnet ihre Musik als Dream Grunge. Vielleicht fühlt sich eine Depression auch so an, denn dies ist nicht nur ein Stimmungsbild, sondern befällt den Organismus. Die vielen Einflüsse von außen treffen zusätzlich auf einen ein und um klar zu kommen, verkriecht man sich. 

Die Produktion ist übermächtig gut und wird der Musik mehr als Gerecht. Die Samples, die aus Trickfilmserien der 80er sein könnten, passen ins Bild, dabei sind die Künstler zu dritt und bedienen eigentlich nur die analogen Instrumente. Das wird auf der Bühne sicher lustig. Obwohl, da war ja was. 

Release: 06.11.2020
Label:  Small Pond Records

Anspieltipps: Gaslight, Damp Breath, Test Trip

6/6 Punkten (Jetzt werden alle auf den Kalender starren & auf das Ende des Novembers warten.)

Bitch Falcon - Staring At Clocks
(Quelle: Presskit von Fleet Union)

Mittwoch, 28. Oktober 2020

Ferris MC - Missglückte Asimetrie (Arising Empire/Focusion)

Wollt ihr den totalen Freak? Das fragte einst Ferris MC in einem Interview mit der Visions bereits vor ein paar Jahren. Und wer sich das Album Missglückte Asimetrie gönnt, der bekommt genau das. Dabei gibt es hier, anders als es einige vermuten könnten, keinen Rap. Aber nur einen einzigen Musikstil bekommt man hier auch nicht. 

Akustisch ist es viel mehr eine Reise durch das Plattenregal des Musikers. Einst Teil der Deichkinder, ist er nun teil der Missglückten Welt. Dementsprechend klingt das hier. Es gibt Punk, bei dem sich der Zuhörer beim Mitgröhlen etwas gefährlich fühlen darf. Es gibt aber auch modernen Metal, mit richtig derbe tief gestimmten Gitarren (die haben bestimmt mehr als nur sechs Saiten). Aber auch Pop-Punk schafft es auf die Missglückte Asimetrie, aber keine Sorge, auch hier gibt es ein böses Augenzwinkern. 

Denn textlich bewegen wir hier uns zwischen Seelenstrip, Asipunk und der Gesellschaftskritik. Da bekommt der klopapierhortende Besorgte Hutbürger sein Fett weg (Kompliment), es werden Bullenwagen geklaut und Innenstädte demoliert, aber auch das Leben am Stadtrand in der Platte wird besungen (13. Stock). Ob es ihm am Arsch vorbeigeht, dass er nicht mehr bei den Deichkindern ist, weiß vielleicht nur er. Es klingt aber so, als wenn das einer seiner Hochpunkte im Leben war. Schlussendlich lassen die Texte sehr tief blicken, auch wenn die Gäste ihren Senf dazu geben. 

Die Produktion der Platte lässt sich echt hören, obwohl man stellenweise etwas drüber ist (man höre Death Magnetic von Metallica). Vielleicht will man das aber auch genau so haben, das ist der Punk der euch mit nem leicht norddeutschen Schlag im Nacken sitzt und immer wieder Schellen verteilt, wenn man sich mal wieder nicht sieht. Alles ballert und ist fett abgemischt, danach hat man ein angenehmes Rauschen auf den Ohren. 

Einzig die Balladen passen nicht ganz so ins Konzept, aber es sei ihm und seiner Missglückten Welt gegönnt. Nach zwölf Titeln geht es direkt zurück zum Anfang, nicht über los, es gibt keine 5000€ sondern wieder 46 Minuten Missglückte Asimetrie.

Release: 23.10.2020
Label: Arising Empire

Anspieltipps:
Bullenwagen: Hier darf sich jeder gefährlich fühlen. Schocky und Swiss stehen euch bei und klauen mit dir die nächste Wanne. Oma und Opa stellen sich so sicher die richtig bösen bösen Punks vor und der Lehrer lädt zum Gespräch ins Lehrerzimmer ein.

120 Dezibel: Welt aus, Musik an. Das ist der Grundton des Songs. An den Gitarren sitzen wohl Munky's und Head's Doppelgänger der Band Korn. Ein schöner Song für die deprimierte Jugend, die sich bald wieder wegen irgendwelcher Spinner einsperren muss.

Du hast eine Rolex: Das nervende Facebookposting, dass Geld nicht das Wichtigste im Leben ist sondern Zeit. Ferris sieht es positiv und sagt sich, dass er den Stress am Morgen nicht braucht und der Typ mit der Rolex zwischen seinen Terminen eh einen Wolf läuft. Kennt wer von euch noch (hed) p.e.?

5/6 Punkten (Wir ham Ferris, was habt ihr?)

Ferris MC - Missglückte Asimetrie
(Quelle: Presskit von Focusion)

Sonntag, 25. Oktober 2020

The Sceenshots - 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee (Musikbetrieb R.O.C.K./Check Your Head)

Jeder kennt diesen Moment, wenn man an einem bestimmten Ort ist und einem auf einmal DIE weltbewegende Idee überhaupt hat. Auf dieser Basis fußt 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee von The Screenshots. Das Punktrio aus Köln macht sich Gedanken über die Phänomene, die neue Firmen so mit sich bringen, die es vor ein paar Jahren noch nicht gab. Man vermietet dank Airbnb an wildfremde Leute unter und lässt sich dafür mehr Geld geben. In manchen Fällen läuft dies am Rande der Legalität. 

Man soll aber auch, wie Elon Musk, an seine Träume glauben, denn manche werden war. So brüllt es der Sänger einem in die Ohren. Aber auch, dass was in der Welt passiert, sei es Mord und Todschlag, ist einfach so in den Mediatheken abzurufen. Sowie Talkshows mit ungeliebten Gästen des rechten politischen Spektrums. Da sie sich die Band im deutschen Sprachraum bewegt, sind die Texte leicht zu verstehen, es werden immer wieder abstruse Bilder der Realität gezeigt. 

Nicht alles, was man hier hört, ist purer Punk. Es gibt ein paar Prisen Rock, Post-Irgendwas aber auch Autotune hat man auf die Platte gehievt. Den müsst ihr aber selber suchen, man kann ja nicht immer mit der Nase drauf stoßen. Die Mischung passt aber zu den leicht schräg eingesungenen Liedern, es gibt so ein leicht ironisches Zwinkern zwischen den Zeilen. Wie aber üblich für den Punk, kommt man kaum über 30 Minuten, verteilt auf elf Titel. 

Release: 16.10.2020
Label: Musikbetrieb R.O.C.K.

Anspieltipps: j@@@@@@@@, Liebe Grüße An Alle, Walter White ist tot

4,5/6 Punkten (Wo sind diese einfachen Ideen hin, wenn man sie mal braucht?)

The Screenshots - 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee
(Quelle: Presskit von Check Your Head)

Samstag, 17. Oktober 2020

Crippled Black Phoenix - Ellengæst (Season Of Mist)

Wer sich vielleicht erinnern kann, die Band Crippled Black Phoenix hatten wir hier mal, mit ihrem recht verstörenden Video zu Lost, welches nicht mehr und nicht weniger als bittere Wahrheit über das Leben zeigt, welches hinter unserem Leben abspielt. 

Dabei fing alles gar nicht mal so gut an. Als man mit den Aufnahmen für Ellengæst beginnen wollte, hatte sich der Sänger Daniel Änghede kurzfristig dazu entschieden, die Band zu verlassen. Natürlich könnte man an dieser Stelle schon mal den Sand in den Kopf stecken (das fühlt sich sicher ekelhaft an), nicht so diese Band, obwohl man schon etwas Glück gehabt haben muss. Denn es meldeten sich genügend andere Musiker, darunter Berühmtheiten wie Gaahl oder Vincent Cavanagh. Und eben durch diese Gastmusiker und Freunde (so werden sie zumindest in der Mail von Season Of Mist aufgeführt) wirkt jeder Song in sich, wie ein eigenständiges Teilstück, dass mächtiger ist, als der Titel davor. 

Die generelle Grundstimmung auf "Ellengæst" (ein Wort aus dem Altenglischen mit einem Hauch Skandinavischer Sprache angehaucht, steht für einen starken Geist) ist recht düster, fast unangenehm, aber dennoch pompös. Das Grundgerüst besteht hier nicht nur aus den einfachen Rock-Zutaten (nicht das Kleidungsstück), sondern integriert alles, was die heutige Technik möglich macht. So auch Samples eines alten Zahlensenders in "Lost" oder aus Filmen, wie in In The Night. Dieser Titel wirkt so, als hätte Nick Cave eine ziemlich depressive Phase gehabt und diese lyrisch sowie musikalisch umgesetzt. Dabei hören wir eben Gaahl, den ehemaligen Sänger der Black-Metal-Band Gorgoroth. Die Gitarren klingen so, als hätten wir seit den Achtzigern nichts besseres gehabt, es gibt sogar ein Gitarrensolo. Der Sound aus der Vergangenheit zieht sich zum größten Teil durch das gesamte Werk, was über 56 gewaltige Minuten misst. Man könnte es einen Hauch von Shoegaze nennen, für Blackgaze ist hier zu wenig physische Gewalt auf der Platte enthalten. 

Durch den stetigen Wechsel der Gäste auf den Titeln und die dadurch entstandenen, eigenen kleinen Microkosmen, kommt keine Langeweile auf, auch wenn viele der Titel die Grenze von sieben Minuten übersteigen. Trotzdem wirkt hier nichts unglücklich gestreckt und der aufgefüllt, alles es ist so geworden, wie es eben hätte werden sollen. Jeder, der sich dem Album hingibt, wird seinen eigenen Favoriten finden und vielleicht auch nachforschen wollen, wer der ein oder andere Gastmusiker ist und was für Musik dieser gemacht hat oder auch noch macht. 

Release: 09.10.2020
Label: Season Of Mist

Anspieltipps: Lost, She's In PartiesCry Of Love

5,5/6 Punkten (Der richtige Soundtrack für diese ungemütlich dunklen Tage.)

Crippled Black Phoenix - Ellengæst
(Quelle: Presskit von Season Of Mist)

Mittwoch, 14. Oktober 2020

CATALAN! - Veritas (Gunner Records)

Die Band CATALAN! kommt aus Belfast, einem der Schauplätze der des Nordirlandkonflikts in den 70er Jahren. Katalanisch ist die Sprache Kataloniens, einer Region Spaniens, die sich seit Jahren autonom erklären. Und bei Veritas handelt es sich um niemand anderen als die römische Göttin der Wahrheit. Wie ihr lesen könnt, wird hier gleich bedeutungsvoll gestartet. Es geht auf dem Album aber weniger "schwergewichtig" zu, als es dieser ganze Namenskladderadatsch vermuten lässt. Mit Verlaub geschrieben, ist der Sound auch für Gunner Records, da wo Veritas, das Album, erschienen ist, relativ ungewöhnlich. 

Wer erinnert sich noch an die ersten Jahre hier NebendemStrom? Auf Twitter ist es ja auch Trend, den Anfang mit dem Jetzt zu vergleichen. Die Retrospektive ist insofern sinnvoll, da sich auf "Veritas" die Sounds hören lassen, die wir einst hier, hier und hier hatten. Die Tall Ships kamen auch aus UK, dann ist das mit dem Sound auch nicht so sehr weit hergeholt. 

CATALAN!'s Klangvielfalt schwingt zwischen großer Theatralik, mächtigen Soundwänden, bestehend aus viel Gitarre und einem drückenden Bass, und fast kindlicher Naivität, die sich meist in den vorgetragenen Gedichten wiederfinden lässt, hin und her. Bereits auf dem Opener Roussillion Serenade ist klar, wo es auf den nächsten 43 Minuten hingehen wird. Man darf tanzen, mitrufen, wenn man die Texte nach dem zigsten Durchlauf intus hat, und immer wieder auf akustische Entdeckungstour gehen. Viele Kleinigkeiten erschließen sich erst, wenn man sich der Göttin der Wahrheit vollständig hingegeben hat. Ist da etwa ein Topf im Track Oka versteckt? 

Thematisch, wie kann es im Jahr 2020 auch anders sein, wird die Gesellschaft auseinandergenommen. Man beschäftigt sich mit den Nachrichtenquellen, Blogs und was mit den Menschen passiert, wenn die alles jederzeit googeln können und permanent ihr Leben ins Netz stellen oder zumindest so tut, als würde es ihnen richtig gut gehen. Die Texte verhalten sich diametral zur gespielten Musik. 

Release: 02.10.2020
Label: Gunner Records

Anspieltipps: Single Source, Cornelius, Fortune

5,5/6 Punkten (Da kommen Erinnerungen hoch)

CATALAN! - Vertias
(Quelle: Presskti von Gunner Records)

Samstag, 10. Oktober 2020

Deftones - Ohms (Reprise Records/Neues aus dem CD-Regal)

Die Deftones sind die Deftones sind die Deftones sind die Deftones. Jedes Album, was die Herren aus Sacramento aufgenommen haben, hat seine eigene Atmosphäre und einen eigenen Grundton. Dennoch hört bei jeder Scheibe heraus, dass man die Tones in den Ohren hat. 

Und nun hat man sich nach 17 Jahren wieder mit Quasi-"Haus- und Hofproduzent" Terry Date zusammen getan. Man möchte meinen, dass man das sogar heraushören kann. Wirkte Gore (hatten wir hier mal) noch recht gestückelt, jeder Titel in sich wirkte wie "Jetzt Part A, nun Part B...", wirkt Ohms wie aus einem Guss. Die Songs laufen ineinander über (ein Graus für jeden Mediaplayer, der das nicht beherrscht) und schaffen somit eine Atmosphäre, die einen einfängt. Die gesamte Platte wirkt wärmer und zugänglicher als sein Vorgänger, auch wenn man hier und da ein paar Ecken blicken lässt. Man greift sogar moderne Elemente wie Dreampop in den eigenen Stil auf und lässt es so wirken, als hätte man in all den Jahrzehnten nichts anderes gemacht. Als wäre dieser Sound schon immer da gewesen. 

Die Gitarre von Stephen Carpenter hat wieder eine Saite mehr bekommen. Wenn die Tones so weiter machen, sitzt der gute Mann in fünfzehn Jahren an einer Harfe oder macht bei den Djentgods mit. Egal welches angestrebt werden würde, man würde es ohne Probleme trotzdem in den eigenen Sound einfließen lassen, komme was wolle. Durch die neun Saiten gibt es dementsprechenden Tiefgang, aber die Axt schwingt hier weniger derbe als in Titeln wie Poltergeist oder Goon Squad vom Album Koi No Yokan (hatten wir hier mal). Dass der Bass nicht ganz so nutzlos geworden ist, zeigt der Titel Radiant City, der mit einem Basssolo beginnt, um später dann doch die anderen Bandmitglieder einzuladen um wie die Deftones anno 2003 zu klingen. 

Dem weißen Pony rennt die Band anscheinend nicht mehr hinterher (wie auch mit den tiefen Gitarren?), dennoch ist es der Maßstab, den viele Hörer und Fans ansetzen. Aber von diesem Vergleich muss man sich trennen, da jedes Album, wie anfangs erwähnt, nicht nur ein neues Kapitel öffnet, sondern ein ganzes Buch, welches ein Anfang und ein Ende hat. Die Deftones sind nicht gemacht für Singles, auch wenn es das Label und/oder das Management gern anders hätten. Man hat einmal nachgegeben, den Titel binnen 30 Minuten neu geschrieben und es zutiefst bereut.  

Ohms' ist erschreckend aktuell. Wegen des Viruses stellt man vieles in Frage, es geht um Einsamkeit, um die Abkapselung von der Gesellschaft und die digitale Welt. Das ist aber eher dem Umstand geschuldet, dass Chino Moreno, der Sänger der Band, eine Zeit lang relativ abgeschieden gelebt hat und sich wieder mehr Kontakt zu Menschen wünschte. Nun wohnt er mit seiner Familie wieder am Rand einer größeren Stadt, hat nun aber, wie jeder andere auch, mit der Pandemie und seinen Folgen zu kämpfen. So steht es zumindest in einem Interview mit der Visions

Das Album erschien bereits am 25.09. auf Reprise Records, mit den Rezensionsexemplaren scheint man ordentlich gegeizt zu haben, denn selbst Loudwire hat berichtet, dass man zum Album noch nicht viel hätte sagen können, da man kein Exemplar für eine Rezension bekommen hat. Man ist im 21. Jahrhundert, man hat schnelles Internet und jederzeit Zugriff auf Musik, auch aus illegalen Quellen. Es gibt dennoch Wege (wie das Management von Code Orange mit C-Right) es besser zu lösen. Vielleicht ist das aber auch Meckern auf hohem Niveau. 

Release: 25.09.2020
Label: Reprise Records/Warner

Anspieltipps (Das ist schwerer als ihr denkt):
Genesis, Error, Headless

6/6 Punkten (Gibt es eigentlich ein schlechtes Album dieser Band?)

Deftones - Ohms
(Quelle: Amazon.com)

Montag, 14. September 2020

Sunken - Livslede (Vendetta Records/All Noir)

Das die Dänen gegenwertig ein Händchen für Black Metal und Blackgaze haben, zeigten bereits Møl (Jord hatten wir hier) und Myrkur, wobei ihr vorletzter Langspieler (hatten wir hier) eher Black Metal ist. Die Männer von Sunken können sich da locker mit einreihen. Diese Band existiert bereits seit 2012 und haben ihr erstes Album 2017 veröffentlicht. Der Nachfolger kommt am 18.09. auf den Markt und hört auf Livslede. Übersetzt heißt das "Lebensüberdruss". Das Googeln des Begriffes ergab nicht wirklich eine klare Definition, man landet eher auf einigen Psychologieseiten. 

Am Anfang wird der Zuhörer von etwas Meeresrauschen (es könnte auch ein See sein), einem Klavier und irgendeinem Streichinstrument begrüßt. Ein altes Boot scheint auf Grund gelaufen zu sein. Man kleidet das alles in recht viel Hall, man fühlt sich allein. "Forlist" heißt ja auch Schiffswrack. Darauf folgt ein ähnlich ruhiges Intro zu Ensomhed, was ein zu eins "Einsamkeit" heißt. Wenn man den Text durch den Übersetzer jagt, merkt, dass es um das Alleinsein geht, darum nicht zu wissen, wie klein man eigentlich in diesem Universum ist. Die klangliche Untermalung wirkt nach einiger Zeit vielleicht etwas rau, wie es eben an der See mitunter sein kann. Dennoch wird nicht ständig geknüppelt, es gibt Unterbrechungen die dem Ganzen die Würze verleihen. Der teil des Songs beginnt ab Minute 09:09. Man denkt, man bekommt ein Stück aus dem Soundtrack von Interstellar dargeboten, es klingt allumfassend, als wolle etwas Großes einen verschlingen. Oder es tun sich riesige, neue Welten vor einem auf. Das klingt eigentlich weniger nach Überdruss, denn nach etwas unfassbar Epischen. Die Zeitangabe könnte vielleicht einige verschrecken, durch die Staffellungen in den einzelnen Titeln, kommt es einem aber so vor, als hätte man mehr als fünf Titel bekommen. 

Klanglich ist man mehr als auf der Höhe der Zeit. Vorbei sind die Epochen, als Black Metal geklungen hat, als hätte man die Songs mit einem alten Mobiltelefon aufgenommen. Auch wenn einige deswegen vielleicht ausrasten würden, das hier ist am anderen Ende. Auch wenn sich die Band ganz groß schwarzes Metall auf die Fahnen geschweißt hat, ist hier auch viel Gaze dabei. Das bricht es eben auf und macht es greifbarer und man bekommt nicht einfach verschränkte Arme und grimmige Gesichter zu sehen. Es wird hier und das was eingestreut, dann trifft man sich an einem ruhigen Punkt um dann gemeinsam lauter zu werden.

Da wir hier Dänisch auf die Ohren bekommen, von einem Sänger der etwas sehr grimmig klingt, versteht man nun nicht unbedingt viel. Da helfen Textbook oder die Texte auf Bandcamp weiter. Trotzdem man nur fünf Titel hat, obwohl man "Forlist" eher als Intro sehen sollte, denn als vollwertigen Song, hat man hier fast 45 Minuten Musik auf den Ohren. Das liegt wohl am Genre. 

Release: 18.09.2020
Label: Vendetta Records

Anspieltipps: Ensomhed, Dødslængel

5,5/6 Punkten (Der Soundtrack für den herannahenden Herbst.)

Sunken - Livslede
(Quelle: Presskit von All Noir)

Donnerstag, 3. September 2020

Youtubisch Vol. 39

 Zum ersten Video setze ich eine Triggerwarnung. Die Band Criplled Black Phoenix hat ein recht brutales Video zusammen gestellt. Wer die Bilder von geschredderten Küken, verhungerten Kindern oder misshandelten Ferkeln nicht ertragen kann, auch wenn es die pure, harte Wahrheit ist, kann sich die Single Lost auf Bandcamp anhören.
--

Zu Beginn wird man vom Klang eines alten Zahlensenders begrüßt. Das klingt unheimlich, das ist es auch. Diese Sender dien(t)en dazu, Agenten weltweit via Radio auf bestimmten Frequenzen zu erreichen, damit diese dann Befehle ausführen können. Nach ein paar Sekunden setzen Trommeln ein, der Gesang kommt mit der Gitarre um die Ecke. Akustisch wähnt man sich auf weiter Flur, umgeben von einem eisigen Wind. Die Bandmitglieder kommen aus Schweden und Großbritannien, was den Sound erklären kann. Die elektrischen Gitarren flirren hier und da durch, die Stimme der Sängerin ist leicht verzerrt und wird ab und an von einer Männerstimme unterstützt. Textlich wird die menschliche Gesellschaft behandelt. Wir sind als Menschheit verloren, wir verbrauchen mehr Planet als wir übrig haben und lassen alles und jeden hinter uns, der nicht mithalten kann. Die Folgen kann man sehen, sie werden einem täglich vor Augen gehalten und dennoch ignoriert man sie, weil man die Bilder zu oft gesehen hat oder weil man das Elend nicht wahr haben mag. Auf jeden Fall eine sehr aufrüttelnde Single. Das Album Ellengæst wird am 09.10.2020 auf Season Of Mist erscheinen. 

Crippled Black Phoenix - Lost
(Quelle: Youtube.com)

Der nächste Track hat zwar ein weniger brutales Thema, auch die Bildsprache ist weniger brutal. Es gibt viele Gäste im Clip, das Thema ist klar. Es geht um das noch laufende Jahr 2020. Das Virus und was alles noch passiert ist, gerade wegen des Viruses oder auch anderweitig, siehe Wirecard. Kafvka will zwar 2020 skippen, was man auch sonst so mit anderen ungeliebten Sachen macht, Tracks, die man nicht mag, Werbung vor Youtube-Videos, Videospielzwischensequenzen, wenn man sie schon zum zigsten Male sehen muss, weil man wieder verkackt hat. 

Aber ich persönlich denke, dass das Jahr mit all seinen Ereignissen, die Pflaster von den erkennbaren Wunden reißt, die überall zu sehen sind. Mangelnde Digitalisierung der Gesellschaft, die rechten Umtriebe (die man ja nicht wahr haben will), Schlachtbetriebe, die ihre Mitarbeiter aus dem Osten Europas ankarren lassen und zu menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten und leben lassen, Finanzunternehmen, die es so gar nicht geben dürfte und Fluggesellschaften, die um Geld betteln. Klar könnte man nun auch kritisieren, dass man keine Parties mehr feiern kann, dass man keine Konzerte mehr besuchen kann oder massenhaft Festivals abgesagt werden. Dem Virus ist es aber egal, woher du kommst, wieviel Kohle du im Monat machst oder woran du glaubst. Da muss man mal eben die Arschbacken zusammenkneifen. Die ganzen Probleme müssen m.E. angegangen werden, damit das Jahr 2020 nicht ganz verloren ist und nicht umsonst geskippt wird. Hier trifft, fast wie im Nu-Metal, Rap auf Metal und Rock, aber weniger proletenhaft. Der Rap ist böse und bei jeder Line denkt man: "Scheiße, er hat Recht." 

Kafvka - Skip 2020
(Quelle: Youtube.com)


Und dann fühlst du dich trotzdem noch machtlos.

Samstag, 29. August 2020

Boy & Bear - Boy & Bear at Golden Retriever Studio (Nettwerk Music Group)

Vielleicht kennt das jemand von euch. Ihr bekommt Musik vorgeschlagen und merkt im ersten Moment, dass der Titel alle Sinne anspricht und eine gewisse Tiefe und Raum hat... oder auch Bauch. Wer Bad People in der akustischen Version von Boy & Bear hört, wird verstehen, was gemeint ist. 

Die australische Band gibt es seit 2009 und sie hat seit dem vier Alben aufgenommen. Das neue Album wurde, wie es der Titel schon beschreibt, in den Golden Retriever Studio in Sydney aufgenommen. Dabei ist es eigentlich nichts anderes, als eine Sammlung eigener Titel und Cover, die man durch die Erfahrungen auf Tour in den USA, einfach als Akustikversion aufgenommen hat. Wie oben schon erwähnt, werden dabei aber alle Sinne angesprochen, die Musik klingt nach Mehr, man könnte es mit klassischer Musik vergleichen, wo jeder Frequenzbereich gut ausstaffiert ist und man nichts vermisst. Man ist überrascht, wie reichhaltig das alles auf einmal sein kann, wenn man sich nur Mühe gibt und seine Erfahrungen einfließen lässt. Man denkt automatisch an Künstler wie Todd Hannigan, Jack Johnson oder Kings of Convenience und wünscht sich automatisch diese Zeit zurück. Man könnte sich vorstellen, dass die Tracks auf einen Surf-Film passen oder zu einer Dokumentation, wo es um Reisen geht. Auf das Album haben es nur neun Titel geschafft, die insgesamt auf eine Spiellänge von nicht ganz 35 Minuten kommen. Durch die angesprochenen Qualitäten geht der nächste Durchlauf oder Durchläufe voll in Ordnung. Man kann sinnieren, in die Weite schweifen und sich in Gedanken verlieren, die etwas schwermütiger sind. 

Release: 04.09.2020
Label: Nettwerk Music Group

Anspieltipps: Old Town Blues, Limit Of Love, Wicked Game

6/6 Punkten (Das hier ist vollwertige Musikkost.)


<
Boy & Bear - Boy And Bear At The 
Golden Retriever Studio 
(Quelle: Presskit von Nettwerk Music Group)

Freitag, 21. August 2020

Youtubisch Vol. 38

Wir sind in einer düsteren Welt gelandet, die Apokalypse ist ausgebrochen und wir stehen vor den Scherben, die einst unsere Welt waren. Dennoch bietet diese zerstörte Welt eine Möglichkeit für einen Neuanfang. Genau das wollen uns die Deftones mit ihrem neuen Titel "Ohms" sagen. Das Intro zum Song ist bereits nicht so düster, wie man es von den Männern aus Sacramento gewöhnt ist. Die Gitarre hat nun wieder eine Seite mehr bekommen, also gibt es nun neun umwundene Drahtfäden (oder sind das schon Seile?) am Instrument. Sie klingt auch etwas dreckiger. Die Stimme von Chino erkennt man aus tausenden immer wieder. Gegen Ende des Songs klingt die band wieder optimistisch, als wenn man seine dunkle Vergangenheit und alles Schlechte hinter sich gelassen hat und nun nach vorne gucken kann, frei von alten Lasten. Das Album Ohms wird am 25.09.2020 in verschiedenen Versionen erscheinen. 

Deftones - Ohms
(Quelle: Youtube.com)


Lage, Lage, Lage. Das ist nicht nur im Immobilienmarkt wichtig. Auf "Gaslight" von Bitch Falcon trifft das ebenso zu. Hier liegen so viele Lagen Musik übereinander, dass man sich sofort eingelullt fühlt. Die gezeigten Bilder geben ihr Übriges dazu. Der Bass und das Schlagzeug drücken ordentlich von unten und jede neue Note fordert den Zuhörer und erzeugt immer mehr Spannung. Auch der Track Test Trip zeigt, dass der Bass hier eher das Sagen hat und viel voran treibt... achja, Lagen gibt es hier ebenso viele Das dazugehörige Album wird Staring At Clocks heißen und am 06.11.2020 veröffentlicht. 

Bitich Falcon - Gaslight
(Quelle: Youtube.com)


Und wer noch tiefer in den Kaninchenbau will, höre sich Things That Fall From The Sky von Laboratory Noise an.

Montag, 17. August 2020

Kid Dad - In A Box (Long Branch Records/SPV/Fleet Union)

Kid Dad hatten wir hier mal im Interview, wer sich vielleicht daran erinnert. Damals waren die Jungs mit RAZZ auf Tour und es gab nur eine kurze EP, das Potential der Band zeigte sich bereits hier. Auch auf der Bühne konnte das Quartet überzeugen. 

Nun ist zwischen dem Interview und In A Box relativ viel Zeit vergangen, die Jungs studieren ja noch. Ihr angesammeltes Wissen spiegelt sich auf dem Langspieler in jeder einzelnen Sekunde wieder. Das Beginnt schon beim kurzen Intro, welches einen leeren Raum darstellt. Die Aufnahmen hingegen fanden außerhalb von gewohnten Bahnen statt, da man mal in Ostfriesland, mal in Berlin und auch Hannover war. Wer jetzt genau diese Einflüsse sucht, kann sie finden, das muss aber nicht passieren. In A Box wirkt wie aus einem Guss aber dennoch spannend. Es gibt Spannungsbögen, man wirkt zerbrechlich wie im Grunge, es gibt nicht direkt lärm. Dann gibt es Songs, die Anfangen wie die besten Stücke von The XX, um dann doch mal kurz mit den Gitarren alles niederzuschlagen. Und genau im selben Stück geht es dann wieder zurück zu den Briten, die früher gerne viel Schwarz trugen. Direkt im ersten Durchlauf hat man das Gefühl, dass das ein Album voller Lieblingslieder werden kann. Die Melodien schneiden sich direkt in die Gehirnwindungen fest und mehrfach huscht einem einen Grinsen über das Gesicht, da man den nächsten guten Moment auf der Platte erwischt hat. 

Thematisch geht es recht ernst zu. Man singt über unsichtbare Gefängnisse, darüber, dass man am liebsten Brennen würde, es geht um den Selbsthass, dass man nicht der sein darf, der man ist und dass man hier und da Notlügen einschleust, was mitunter die menschliche Natur ist. Das sind mitunter die Themen, die einen umtreiben, wenn man erwachsen wird und auf seine Eltern oder Großeltern sieht, was die alles in ihren jungen Jahren erreicht haben. Man nimmt dem Sänger diese schweren Gedanken ab, man hört den Schmerzen, die Fragen und die Zweifel. 

Wie bereits erwähnt, setzen die jungen Männer aus dem Studium in ihrer Musik um. Es gibt nichts, was zu viel ist, nichts, was absichtlich streckt oder irgendwo künstlich eingestreut wird nur um ein paar Minuten mehr Musik auf den Langspieler zu bringen. Experimente, wie absichtlich falsch gestimmte Gitarren auf A Prisoner Unseen, glücken erstaunlicher Weise und passen direkt ins Soundgewand.

Release: 21.08.2020
Label: Long Branch Records / SPV

Anspieltipps: Happy, [I Wish I Was] On Fire, Window

6/6 Punkten (In diesem Alter sind die schon so gut!)

Kid Dad - In A Box
(Quelle: Bandcamp.com)

Donnerstag, 6. August 2020

100 Kilo Herz - Stadt Land Flucht (Bakraufarfita Records/Uncle M)

Was läuft wie eine Ente, klingt wie eine Ente und quakt wie eine Ente? Genau, keine Ente. Der Anfang dieses Reviews mag vielleicht komisch wirken, stimmt hier aber irgendwie voll und ganz. Spielt man ein paar Takte von Stadt Land Flucht der Band 100 Kilo Herz aus Leipzig, meint man im ersten Moment eine neue Platte von Feine Sahne Fischfilet in der Hand zu halten. Aber so man die Hülle des Langspielers auch wendet, es bleibt eine Platte der Leipziger Punkkapelle. 

Das kann vielleicht damit zusammenhängen, dass die Zutaten identisch sind. Trompeten, Gitarren, die nicht übermäßig verzerrt sind, ein Trommler, der verschiedene Rhythmen beherrscht und ein Gesang, der sehr gerne schräg ist. Das passt aber zum rotzigen Stil, man kann hören, wie die Stimmbäder des Barden hier und da und fast überall ordentlich kratzen. Natürlich würden nun einige Kritiker schreien, dass man das schon hatte, eben mit Feine Sahne. Aber Texte über den unrühmlichen Umgang mit Rechtsradikalen und deren Umtrieben auf dem Land kann es nicht genug geben. Aber das ist nicht ihr einziges Thema. Es geht auch um den Umgang mit der Volksdroge Alkohol, hier nehme man sich nur "Tresenfrist" oder auch "... und aus den Boxen... But Alive..." zur Brust und höre zu! Der Sänger selbst sagt, dass genau dieses Thema, der übermäßige Alkoholkonsum, viel zu selten in der  Szene angesprochen wird. Und dann gebe sich jeder diesen Titel (Vorsicht: Ohrenkrebsgefahr) und wie man im Schlager (das ist doch Schlager?) damit umgeht. Bevor wir jedoch zu weit abschweifen, bleiben wir bei 100 Kilo Herz und lassen uns da vergraben, wo man noch nie war. Der letzte Wunsch ist der wichtigste und sollte Beachtung finden. 

Über die Produktion lässt sich nicht meckern, aufgenommen wurde im Tonstudio 45 und gemixt im Feinklang Studio. Da steckt jede Menge Erfahrung drin, die die Energie in die richtige Richtung lenkt, es wirkt teilweise klanglich sehr modern. Was dem ganzen jedoch gut getan hätte, wären mehr Gastsänger oder generell mehr Stimmen. Der Gesang kann nach dem dritten oder vierten Durchlauf etwas monoton wirken. Wenn man aber Feine Sahne kennt, hat man natürlich eine Messlatte. Nach knapp 40 Minuten ist jedoch Schluss und man kann sich auf den Weg machen und die Texte einzeln sezieren, versuchen die Welt durch die Augen der Jungs zu sehen. Die Deutschlehrer der Nation hätten mal zur Abwechslung was neues zu interpretieren und den Schülern würde gezeigt werden, was hier gerade passiert. 

Release: 07.08.2020
Label: Bakraufarfita Records

Anspieltipps: Tresenfrist, Drei vor Fünf vor Zwölf, Sowas wie ein Testament

5/6 Punkten (Nach nem Konzert von 100 Kilo Herz und Feine Sahne Fischfilet stünde kein Stein mehr auf dem anderen)

100 Kilo Herz - Stadt Land Flucht
(Quelle: Presskit von Uncle M)

Sonntag, 26. Juli 2020

Herr Rauch - Sportlehrer aus Leidenschaft (Spleendance Records/Bangup Bullet)

Wie stellt man sich so einen Sportlehrer vor? Jeder von euch wird seine Erfahrungen gemacht haben. Der eine Sportlehrer nahm seine Rolle sehr ernst und turnte die Übungen noch selbst vor. Und dann gab es die, die in der Pause gerne mal eine Zigarette mehr rauchten (und auch danach rochen) und die Übungen nur theoretisch durchführen konnten und den besten Sportler der Klasse haben diese zeigen lassen. 

Und der nette Herr Rauch aus München besingt mit seiner Band genau eben diese Sportlehrer, deren besten Jahre vorbei sind und die eigentlich auch keinen Bock mehr auf ihren Job haben. Fünf Titel umfasst die EP "Sportlehrer aus Leidenschaft", also für jeden Arbeitstag (Samstag nicht mitgezählt) der Woche. Wenn die Woche nur 20 Minuten lang wäre, wäre das natürlich noch genialer, aber das ist wieder ein anderes Thema.  Nicht umsonst würde man auf Kaffee Schwarz singen, dass die Woche schon längst rum sein könnte. 

Dabei versprüht die EP eine Mischung aus einem kleinen Festival mitten im Sommer und einem kleinen lauwarmen Polkaabend, der irgendwo auf einem Dorf stattfinden könnte. Man wird durchaus zum Tanzen animiert,  zum Mitsingen aber auch zum Sinnieren. Leider könnte aber dies durch einen erhöhten Alkoholkonsum ausfallen, denn die Texte sprechen viele Themen an. Es geht ums Älterwerden, darum, dass Freunde sich auseinanderleben, weil die Lebensumstände sich geändert haben oder auch darum, dass das Autofahren den Genuss einschränkt. Mit Kaffee beginnt der Tag und mit Wein kann er enden, somit gibt es eine neue Blickweise auf die EP. Vielleicht kann man "Sportlehrer aus Leidenschaft" auch aus der Perspektive des Sportlehrers sehen, seinen Alltag begleiten und in seine Gedankenwelt abtauchen, begleitet von Trompeten und Gitarren. Diese passen perfekt abgestimmt in das Gesamtbild und lassen keine wünsche offen. Vielleicht sieht man die Jungs mal bei Laut gegen Nazis

Release: 31.07.2020


5/6 Punkten (Ein etwas kurzer Sommerabendspaß für die ganze Familie.)

Herr Rauch - Sportlehrer aus Leidenschaft
(Quelle: Presskit von bangup bullet)

Donnerstag, 16. Juli 2020

Хмарь - Мгла (Bandcamptage)

Vielleicht erinnert sich noch jemand an die Band Møl aus Dänemark? Die hatten wir hier mal mit ihrem Album Jord. Seit diesem Meisterwerk bin ich auf Blackgaze, zumindest im Stile von Møl, hängen geblieben. Somit begab ich mich auf die Suche auf Bandcamp. Zum Glück ist dieses Genre nahezu eineindeutig, sodass man eigentlich nur noch hören musste und dann geschaut hat, was der Preis des Albums ist.

So fand ich das Album Мгла der Band Хмарь aus Russland. Man findet leider nicht viel über diese Band heraus, es gibt keine Facebookseite oder einen eigenen Webauftritt, leider. Das große Oberthema ist "Dunst", zumindest ist das die Übersetzung von Google. VK übersetzt ähnlich, hat aber wohl die besseren Dolmetscher. Aber auch das Thema Wald wird durchgenommen. Gesanglich versteht man aber nicht so viel, es gibt ein Sample im Track Сон, der gleichzeitig die erste Single des Albums ist. 

Klanglich ist man jedoch nahe dem, was die Dänen von Møl auf die Beine stellen. Klanglich gibt man sehr viel weite, die Trommeln sind nicht immer am Durchrattern des Blackmetaltakt, nur der Sänger ist halt echt schwer zu verstehen. Man kann sich hier verlieren, freut sich über Details, die man entdeckt. 

Natürlich muss ich unter diesem Hauptthema über den Preis sprechen. Man verlangt hier für acht Titel auf einer Spiellänge von knapp 57 Minuten keinen müden Cent... oder Rubel. Man kann soviel geben, wie man mag. Wenn das jetzt kein Grund ist, vielleicht in die Welt des atmsophärischen Blackgaze abzusteigen, dann weiß ich es auch nicht.

Anspieltipps: ПыльСонЛепра

Хмарь - Мгла
(Quelle: Bandcamp.com)

Die Musik passt ja schon fast zu diesem wechselhaften Sommerwetter. 

Montag, 13. Juli 2020

Youtubisch Vol. 37

Das Techno gut mit Metal harmonieren kann, bewiesen einst schon We Butter The Bread With Butter mit "Ich mach was mit Medien", das Video hatten wir hier mal. Man gehe einfach zu Min. 1:49 und genieße den Atzenbeat. Und dann kommen die Dudes von Eskimo Callboy um die Ecke und setzen dem ganzen mit Hypa Hypa noch die Krone auf. 

Nicht nur das der Anfang einfach nur richtig einfach gestrickter Techno ist (hoffentlich bekomme ich hier dafür nicht den Kopf abgerissen), nein, die haben sich allen ernstes Schnauzer stehen lassen. Die Frisen sind natürlich Perücken, die Klamotten sind auch derbe daneben und zusammen mit den Neons und dem Ferrari fangen vor lauter Zucker die Augen an zu schmerzen. Nach 20 Sekunden gibt es dann aber ordentlich aufs Fressbrett geknüppelt. Da muss man dann schon den Schnauzer und die Perücke festhalten, wenn man den Kopf ordentlich zu dem Metalgekloppe bewegen will. Die ganzen Technoatzen werden dann entweder das Weite suchen oder vielleicht mitmachen, um dann mitten im Lied fast wie Scooter du "döpen". 

Mal im Ernst: die Jungs werden sich was dabei gedacht haben. Sie haben eine Hymne geschaffen und bringen zwei Dinge zusammen, die scheinbar schwer miteinander zu verbinden sind. Der Coup ist gelungen, denn mehr als 2,9 Mio. Views auf Youtube und zig Reactionvideos sprechen für sich. Vielleicht auch, weil das Szenario und der wirklich wirklich absurde Mix der Musik zum Lachen animiert. Und spätestens im zweiten Refrain ist man gefangen. Dabei geht es im Text wohl um eine angebetete Dame auf dem Dancefloor, die dann eben tanzen soll. Das zeigt auch, wie creepy manche Kollegen des männlichen Geschlechts sein können. Die Bilder des Videos unterstreichen das mitunter sehr gut. Dabei ist dies nur der Vorbote zur EP "MMXX", die am 11.09.2020 auf Century Media Records erscheinen wird.


Eskimo Callboy - Hypa Hypa (Musikvideo)
(Quelle: youtube.com)


DAS ist ein Sommerhit, wie er jeden Tag im Radio laufen sollte und nicht das billige Popgedudel. So.

Update: Selbst die Frau des Hauses, die sonst keinen Metal mag, geht auf diesen Titel ab.

Sonntag, 12. Juli 2020

Sharptooth - Transitional Forms (Pure Noise Records/Kinda Agency)

Sharptooth's Langspiepler Transitional Forms begrüßt euch lautstark mit nichts, sprichwörtlich. Wer sich erinnert, diese Band hatten wir erst hier mit ihrem Opener Say Nothing. Dabei geht es auf dem Album ernster zu, als es das Musikvideo zuerst vermuten lässt. Der Titel zeigt aber ganz klar, wie tief einige "Fans" in die Materie eindringen und sich mit den Texten oder gar der Band beschäftigen. 

Denn danach kommt einer Kinderstimme, die Singt, dass keiner es mag und jeder es hast. Schon mies, aber so geht es Menschen, die nicht in der Gesellschaft angekommen sind, nicht weil sie vielleicht wirres Zeug von sich geben, sondern, weil sie vielleicht nicht den Normen entsprechen oder ihren eigenen Weg gehen, der in der heutigen breiten Masse nicht akzeptiert wird. Auch hier wird man von wütenden Gitarren nebst Bass und Schlagzeug begrüßt. Die Sängerin kreischt ins Mikro was das Zeug hält. Der Rhythmus geht hier etwas gen Nu-Metal, das ist in der Szene um den Metal-/Deathcore aber schon lange en vogue. Auf der Platte werden sowohl Lyrisch als auch Musikalisch nicht nur Wände, sondern ganze Häuser niedergerissen und das nahezu ohne unterlass. Man trippt auch öfters auf den Stereokanälen hin und her, was für einen zusätzlichen Drehwurm sorgt oder für Verwirrung, wenn man nur einen Ohrstöpsel drinnen hat. 

Nach zehn Titeln und etwas mehr als 30 Minuten ist man durch die Platte durch und hat einige Standpunkte mitbekommen, sei es um das Verhalten gegenüber Feministinnen, gegenüber Menschen, die traumatische Ereignisse durchlebt haben und verarbeiten müssen oder auch das fehlen jeglicher Empathie gegenüber anderen Mitmenschen. Dennoch kommt man nicht aus dem Headbangen heraus, die scharfen Zähne reißen mit ihrer Platte eine fette Schneise in die Walachei. 

Release: 10.07.2020
Label: Pure Noise Records

Anspieltipps (was bei der Platte echt nicht leicht fällt): Say Nothing (In The Abscence Of Content), Hirudinea, M.P.D.B (Manic Pixie Dream Bitch)

6/6 Punkten (Man könnte ein Festival mit lauter Bands veranstalten, wo nur Frauen shouten.)

Sharptooth - Transitional Froms
(Quelle: Presskit von Kinda Agency)

Donnerstag, 2. Juli 2020

Youtubisch Vol. 36

Heute reißen zwei Frauen mit ihren Bands akustisch eure Wände ein. 

Wir beginnen mit der Band No Rest For Jane aus Berlin. Die gibt es noch nicht so lange, machen aber auf ihrer ersten Single Death Angel so viel Lärm, wie die großen Bands des Metalcore-/Deathcore-Business. Die Stimme der Dame hält ordentlich gegen die 8-/7-Saiter, den Bass und das Drum Kit. Textlich geht es um einen Todesengel, laut Wiki hat dieser in den verschiedensten Religionen auch verschiedene Funktionen. Gleich am Anfang heißt es, dass "deine Zerstörung mein Schicksal ist" und dass man genauso kaputt sei, wie die anderen. Aktuell gibt es noch keine EP oder ein Album, man habe aber schon weiteres Material am Start. Das Video ist Corona geschuldet, man hat aber das Beste daraus gemacht. 

No Rest For Jane - Death Angel (Musikvideo)
(Quelle: Youtube.com)


Die Band Sharptooth erklärt euch mal eben, dass man auch mit wortwörtlich Nichts einen Song schreiben kann. In Say Nothing (In The Absence Of Content) geht es darum, dass man eh alles wieder vergisst, dass man eh nur nach dem nächsten Beatdown heischt und darum, dass wenn man nichts kreiert hat, auch nichts zerstört werden kann. Auch das Video passt hier dazu, obwohl es eher mit den Bildern der Sternchen des Pop-Business spielt. Da gibt es eine Gaga ode auch Perry, man tanzt ein wenig, lächelt in die Kamera oder tut, wie die Gaga, eben cool a.f.. Wie bereits versprochen, reißt auch diese Band ordentlich die Wände ein und ballert los. Hier gibt es Metalcore und Hardcore vom Feinsten. Das Album dazu heißt Trasitional Forms und ist ab dem 10.07.2020 auf Pure Noise Records erhältlich.

Sharptooth - Say Nothing (in The Absence Of Content) (Musikvideo)
(Quelle: Youtube.com)


Mal eben das Gehirn freipusten. 

Sonntag, 28. Juni 2020

Emmure - Hindsight (Sharp Tone Records/Kinda Agency)

Wer hat denn hier den mit Nu-Metal gefüllten Eimer umgeworfen? Wer die ersten paar Tackte von Emmures Album Hindsight hört, kommt um den Gedanken nicht herum. Und das zieht sich dann durch das gesamte Album. 

Wer Korn, Static X, Limp Bizkit, Slipknot und hed (p.e.) kennt, zumindest die Versionen um den Peak des Nu-Metal, der wird hier einige alte Bekannte wieder erkennen. Selbst gesangstechnisch ist man sich nicht zu Schade, wie die wirre 90er-Jare Version von Jonathan Davis klingen zu wollen. Man will förmlich polarisieren, nur um dann ein paar Titel später dann doch den Deathcore auszupacken, die Gitarren und der Bass sind eh schon nah am braunen Ton. Dennoch quetscht man hier und da ein Samples und Scratches rein, so dass es dann doch wieder Nu-Metal ist? Oder ist das Nu-Deathcore? Ist das dann überhaupt noch was eigenes? Diese Aussage ist schwer zu treffen, selbst wenn man sich in der Szenerie auskennt und bewegt hat/bewegt. Aber das kann man den Jungs nicht vorwerfen, denn die haben das gemacht, was ihnen gerade gefällt, die Darbietung ist um einiges brachialer, als es noch vor 25 oder 20 Jahren gewesen wäre. Im Mainstream sind Gitarren mit mehr als sechs Saiten noch nicht wirklich angekommen, was echt schade ist. 

Nun, nach etwas mehr als einer halben Stunde ist man durch die dreizehn Titel durch. Die Band schafft es hier zu polarisieren, wer mit harter Musik nichts anfangen kann, wird hier nichts finden, was ihm gefallen könnte. Alle anderen, die sich mit dem Deathcore kuscheln und sich im Metalcore wälzen, die können hier Gefallen finden, sowie die Leute, denen Nu-Metal gefällt und auf der Suche nach härterem Zeug sind. 

Release: digital: 26.06.2020; physisch: 24.07.2020

Anspieltipps: 203, Thunder Mouth, Gypsy Disco

5/6 Punkten (Ein bisschen viel Nu-Metal hier)

Emmure - Hindsight
(Quelle: Presskit von Kinda Agency)

Sonntag, 21. Juni 2020

Stinky - Of Lost Things (M-Theory Audio/All Noir)

Das die Franzosen Punk können, haben wir hier bereits bei Guerilla Poubelle gelernt. Die Band Stinky dreht noch ein wenig am Härteregler und macht Hardcore draus. Die Kappelle kommt aus Nantes und ist seit 2010 zu fünft unterwegs und hat bereits zwei Alben auf der Haben-Seite. Dazu gesellt sich jetzt Of Lost Things

Gleich zu Beginn wird einem akustisch gezeigt, wo der Weg auf der Platte hingehen wird. Die Sängerin zieht einen an den Ohren förmlich in den nächsten Pitt und schubst dazu selbst mit herum. Zum Hauptgang wird einem ordentlich vom Drummer in den Rücken getreten und die Gitarren und der Bass schlagen gleich nochmal von links und von rechts in dein Gesicht. Zwar wird es hier nicht so brutal, wie bei Code Orange, aber das Album geht ab wie ein medizinisches Präparat, welches man in den Hintern geschoben bekommt. Man macht hier keine halben Sachen, sondern wettert ordentlich los. Auf dem letzten Song wird man dann wieder zusammengeflickt, man hat irgendwo in der moshenden Masse einen Streicher gefunden. Also weiß man schonmal, wo das Ende ist. Dabei muss man sich soundtechnisch in keiner Ecke verstecken, man kennt seine Stärken, die der Toningenieur passend eingefangen hat. 

Nach etwas mehr als 30 Minuten ist man durch das Album, total verschwitzt und fertig. Man guckt den Gegenüber an und nickt sich zu. Auf eine neue Runde voller Ballern, Kreischen und Tanzen.

Release: 12.06.2020
Label: M-Theory Audio


5,5/6 Punkten (Wer sagt hier, dass Franzosen kein Hardcore können?)

Stinky - Of Lost Things
(Quelle: Presskit von All Noir)

Mittwoch, 17. Juni 2020

Nava - Sarabe (Nettwerk Music Group)

Während des Studiums kommt der Mensch dazu einiges auszuprobieren. Einige werden politisch aktiv, andere Gründen vielleicht kleine Firmen und wiederum andere Grünen eine Band. Manche dieser Projekte oder Bands schaffen es vielleicht nie weiter, als das Studium geht. Die Band wurde von der iranischen Studentin Nava Golchini und Francesco Fugazza gegründet. Als Verstärkung holten sie sich Elia Pastori und Marco Fugazza ins Boot. 

Schnell war die EP Body geschrieben und man durfte mit Vök auf Tour gehen. Das schafft Erfahrungen, die man in neue Songs einarbeiten konnte. Dabei gibt man sich geheimnisvoll, es werden nicht unbedingt tanzbare Beats gespielt und der Gesang ist mal recht tief und schwer schweben und ein anderes mal leicht und fast beflügelt. Je mehr Mitglieder man in der Band hat, desto mehr Hände und Finger hat man zur Verfügung, genau das hört man dann auch in den vier Tracks. Es bilden sich sehr viele frickelige Lagen, die ineinander verwoben werden. Achja, und Bass, Bass gibt es viel und drückend. Aber das gehört zu dieser Art von Musik dazu, eine Mischung aus Witch-House, Lo-Fi, Waporwave und Glitch. 

Nach rund 16 Minuten ist ist die Reise durch die kleine, angenehme Dunkelheit vorbei. Man hört bei jedem Durchlauf neue Details und wartet förmlich darauf, beim nächsten Mal was neues zu finden. 

Release: 12.06.2020
Label: Nettwerk Music Group

Anspieltipps: You, Sarabe

5/6 Punkten (Da denkt man gern an seine eigene Studienzeit zurück)

Nava - Sarabe
(Quelle: Presskit von Nettwerk Music Group)

Sonntag, 14. Juni 2020

HEADS. - Push (Glitterhouse Records/All Noir)

Es gibt Alben, die zünden nicht sofort im ersten Moment. Da hört man sich hier und da ein paar Titel an und entscheidet dann. Dann gibt es Alben, die man einfach so laufen lässt und merkt dann, dass das dann doch nicht so schlecht ist und man nimmt sich dem an. So geschah es bei Push der Band HEADS..

Dabei fängt alles so an, als würde die Band akustisch einen Alarm oder eine schwere Maschine darstellen. Der Sänger spricht einen Text drüber. Dann packt man den Bass aus und lässt den Sänger von der Leine, die Gitarren sind eher etwas glatt und weniger verzerrt. Dieses Konzept zieht sich über die gesamten zehn Titel hin, wobei man nicht über eine Spiellänge von 36 Minuten kommt. Hier können sich klar Lieblingstitel herauskristallisieren. Push You Out To Sea ist so ein Song. Er beginnt hypnotisch und eskaliert ein wenig im Refrain, ab nicht zu sehr, um dem Grundthema nicht zu sehr zu entweichen. Man kommt immer wieder zum Spannungsbogen zurück, den man immer wieder neu aufspannen kann. Das Britisch-Englisch des Sängers trägt dazu bei, das jeder Textfetzen eindeutig verstanden wird. Wer You Guitar Prayer (hatten wir hier mal), kann hier gerne zugreifen. Für alle anderen könnte die ganze Geschichte ziemlich verkopfter Rock sein. 

Release: 29.05.2020
Label: Glitterhouse Records


5/6 Punkten (Hier spielt der Bass die erste Geige.)

HEADS. - Push

Donnerstag, 4. Juni 2020

Currents - The Way It Ends (Sharp Tone Records/Kinda Agency)

Das mit dem Metalcore ist immer so eine Sache. Das kann eintönig werden oder auch total käsig, wenn man es denn eins zu eins aus dem Englischen übersetzten möchte. Es gibt kaum Bands, die den goldenen Mittelweg kennen und auch sicher beschreiten. Currents aus Fairfield können sich zu den glücklichen zählen, die es schaffen, dass die harten Parts auf dem Album The Way It Ends nicht zu eintönig werden und der Gesang nicht so klingt, als ... naja, ihr wisst schon. 

Dabei fängt das Album relativ klassisch an, man könnte meinen, man hätte eine Platte von Architects gefunden oder Bootlegs eines früheren BTMH-Albums. Aber da hört es auch schon auf. Der Sänger/Shouter setzt ein und peitscht durch das Intro. Danach werden die 8-Saiter (?) ausgepackt der Moshpit bekommt was zum Durchdrehen. Dabei hat A Flag To Wave fast Black-Metal-Anleihen. Dabei geht es hier um etwas, für das man selber einsteht und dafür seine Flagge hoch hält. Hier kommt auch das erste Mal der Gesang durch. Der Trommler hat auf dem gesamten Langspieler ordentlich zu treten, das Tempo schlägt teilweise ein Maschinengewehr. Etwas Nu-Metal kann man auch finden, der Trend hat sich wohl durchgesetzt, auch das Gitarrensolo hat man wieder aus der Kiste gekramt und dezent an einige Stellen verteilt, sowie ein par Spielereien auf dem E-Piano.  Rein technisch kann man den Jungs nichts vorwerfen.

Das Gesamtkonzept ist wuchtig und abwechslungsreich geraten. Man kann das Album in den verschiedensten Stimmungen hören, egal ob traurig, wütend oder nachdenklich. Man kommt nicht in Versuchung zu zoomen oder zu skippen, was schon mal was heißen mag. Nur bei der Länge hätte man was machen können, keine 40 Minuten ist The Way It Ends Lang und umfasst, wenn man das Intro mitzählt, elf Titel. Die Qualität überzeugt dennoch. 

Release: 05.06.2020
Label: Sharp Tone Records


5,5/6 Punkten (Der Nacken darf hier ordentlich leiden)

Currents - The Way It Ends
Currents - The Way It Ends
(Quelle: Presskit von Kinda Agency)

Montag, 25. Mai 2020

Crossfaith - Species EP (UNFD/Kinda Agency)

Crossfaith aus Japan hatten wir hier und hier schon mal. Wer die Band kennt, weiß das die Jungs nicht erst seit gestern ne ordentliche Schippe Metalcore, gepaart mit Samples aus dem Keyboard auf die Membrane hieven. Das kommt mal mehr, mal weniger gut an. Worüber man sich auf keinen Fall beschweren kann, ist der Output der Jungs, denn laut Wiki gibt es einige EPs und Alben.

Die neue EP heißt Species und liefert genau das, wofür die Band bekannt: Metalcore. Die Platte hat ordentlich Druck und die Band prescht los, als wenn es eine Kampfansage nötig hätte. Man kann sich aber auch auf seine Nu-Metal-Wurzeln besinnen und baut mit Hilfe von Jin Dogg einen Rapper aus Osaka ein. Die Band kritisiert andere Musiker, die sich verkauft haben um Erfolg zu haben, spricht sich gegen die Widersprüche in der japanischen Kultur aus und den Neid, der ihm entgegen gebracht wird. Und zu guter Letzt kommt ein Titel, der einen mit der Zeit nach dem Trennungsschmerz versöhnen soll. Bei fünf Titeln bleibt auch nicht allzu viel Platz für ausschweifende Geschichten, es sei denn man ist in einer Doom- oder Black-Metal-Band.

Auf der EP macht die Band alles richtig, man hat seine eigene Marke gesetzt und diese findet man in jedem der Titel wieder. Durch die Hörgewohnheiten in diesen Breitengraden ist Metalcore und Trancecore noch nicht so ausgelutscht und die Band wirkt nach wie vor frisch. Neue Tracks für ein Album seien bereits in der Mache, wenn man sich den Output der letzten Jahre anguckt, werwundert diese Aussage kaum.

Release: 22.05.2020
Label: UNFD

Anspieltipps: None Of Your Business (feat. Jin Dogg)Digital Parasite, Truth Of Insanity

6/6 Punkten (Eine ruhige Kugel kann woanders geschoben werden.)

Crossfaith - Species EP
(Quelle: Presskit von Kinda Agency)

Mittwoch, 20. Mai 2020

Circle Of Execution - The Trail (Bleeding Nose Records)

Viele werden die Schweiz mit Käse und Kräuterbonbons in Verbindung bringen, vielleicht auch mit Bergen und den Sprachen, die man dort spricht. Musikalisch fällt einem der DJ Bobo ein, einige könnten Ekat Borg (die hatten wir hier mal) kennen. Das es in der Schweiz auch etwas derber zugehen kann, das zeigt die Band Circle Of Exexution aus Monthey. Die Jungs haben sich bereits 2006 gefunden und spielen Metalcore.

Das aktuelle Album The Trail begrüßt einen mit einem Elektro-Piano. The Only Solution klingt einfach so, als hätte jemand aus Versehen die Studiotür offen gelassen und ein Cyber-Goth, der rein zufällig gut am Piano ist, konnte sich reinschleichen und ein paar Spuren aufnehmen. Darunter ein stampfender Beat und schon fragt man sich, ob man sich im CD-Regal vergriffen hat. Nach ein paar Sekunden wird dann doch zu den Saiteninstrumenten gegriffen und es wird losgeballert. Diese Einspieler aus der Gruftisezene lockern die Titel des  Langspielers auf. Ähnliches haben bereits andere Bands versucht, manche sind dann komplett in den Pop abgewandert. Ob COE nun ähnliches widerfahren wird, bleibt abzuwarten. Und das Metalcore nicht gleich Metalcore ist, beweisen Bands wie Enter Shikari und Crossfaith, denn die bauen viele Elemente aus Dance, Trance, Techno und Drum'n'Bass ein. 

Was man bei dem ganzen Geballer leider merkt, dass das Drumset leider vom Rechner zu kommen scheint, auf der Personalliste steht auch nirgendwo ein Trommler. Es ist zwar nicht ganz so wild, dennoch merkt man die Mechanik an einigen Stellen. Falls hier jedoch ein richtiger Drummer am Start war (leider fehlen hier die information dazu), dann hat der Junge (oder die Frau) es echt drauf. Im Musikvideo zu The Mirror's Eyes ist jedoch ein Trommler zu sehen. Wie üblich für das gewählte Genre, gibt es viel Geschrei und Gekeife, man kann aber auch kraftvoll singen. Das ist zum Glück nicht so cheesy wie bei einigen anderen Vertretern. 

Das abgelieferte Werk ist knapp 44 Minuten lang und rund. Nach einigen Durchläufen macht die Platte massiv Spaß, man kennt sich an einigen Stellen aus und freut sich förmlich auf die nächste Attacke der Double-Bass in Verbindung mit Gitarre und Bass. Live ist die Band sicher einen Besuch wert, das mit der Sprache könnte vielleicht ein Problem werden. 

Release: 22.05.2020
Label: Bleeding Nose Records 

Anspieltipps: Ironic Naivety, The Mirror's Eyes, The Only Solution

5/6 Punkten (Die Schweizer sind gar nicht so langsam, wie alle sagen)

Circle Of Execution - The Trail
(Quelle: Presskit von Bleeding Nose Records)